Beschneidung und Gebärmutterhalskrebs

Senkt die Beschneidung das Risiko bei Frauen an Gebärmutterhalskrebs (Cervixkrebs) zu erkranken?

Die Hypothese, dass die Enstehung Gebärmutterhalskrebs durch das Smegma der männlichen Vorhaut verursacht würde, wurde 1954 vom US-amerikanischen Arzt Wynder erfunden. Seine Studie stellte sich als falsch heraus, da die meisten der Gebärmutterhalspatientinnen in seiner Studie fälschlich angaben, dass ihre Ehemänner unbeschnitten waren. Diese Frauen hatten keine Ahnung, ob ihre Ehemänner beschnitten waren oder nicht. Sie gaben die Antwort, von der sie dachten, dass der Arzt sie hören wollte. Wynder erkannte später und gestand 1960 seinen Fehler.(1) Bereits 1962 wurde die Hypothese, die Beschneidung des Mannes schütze vor Gebärmutterhalskrebs, formell und wissenschaftlich von Stern widerlegt.(2

Stern und Neely untersuchten einige der frühen Forschungsarbeiten zu diesem Thema (2)

„Da die Empfehlung gemacht wurde, dass Beschneidung als Präventivmaßnahme gegen Krebs des Cervix angewendet werden solle, suchten wir weitere Bestätigung dieser Hypothese. Eine beinahe ideale Population war die der gesunden Frauen, die eine Einrichtung zur Krebsfrüherkennung aufsuchten, wo die Population beinahe gleichmäßig zwischen Frauen aufgeteilt war, deren Ehemänner beschnitten waren und jenen, deren Ehemänner nicht [beschnitten] waren. Die Erkennungsrate für den Gebärmutterhalskrebs unter nicht-Jüdischen Frauen mit beschnittenen Ehepartnern, unterschied sich nicht von der Rate unter nicht-jüdischen Frauen mit unbeschnittenen Ehemännern. Desweiteren stellte sich heraus, dass der Gebrauch eines Präservativs seitens des Ehepartners, das den gleichen Effekt wie die Beschneidung hat insofern, dass es die Gebärmutter vor Kontakt mit Smegma schützt, in keinem Zusammenhang mit unterschiedlichen Raten von Gebärmutterhalskrebs steht.

Diese Studie, mehr noch als die Vorhergehenden, zerstörte den Mythos, dass die Präsenz der Vorhaut oder des Smegmas in irgendeinem Zusammenhang mit der Inzidenz [Häufigkeit] des Gebärmutterhalskrebs der Partnerin steht. 

Zum gleichen Ergebnis gelangten nachfolgende Studien über einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen dem Gebärmutterhalskrebsrisiko von Frauen und der Präsenz der Vorhaut bei deren Partnern:

Eine Studie von der University of Aberdeen stellte fest:

„Die Ergebnisse belegen nicht die Theorie, dass Frauen, deren Ehemänner beschnitten sind, mit geringer Wahrscheinlichkeit an Cervixkrebs erkranken, als diejenigen Frauen, deren Ehemänner unbeschnitten sind. Damit stimmt diese Studie mit den Befunden von Jones et al. (1958), Dunn und Buell (1959), und Boyd und Doll (1964) überein.“(3

Terris, Wilson und Nelson fanden in ihrer Studie heraus:

„Keine Unterschiede beim Beschneidungsstatus der Ehemänner von Patienten mit Cervixdysplasie und der Kontrollgruppen wurden gefunden. Die Befunde dieser Studie stimmen mit denen von Aitken-Swan und Baird überein. Sie konnten keinerlei Beweise dafür liefern, dass der Beschneidungsstatus mit invasiven Karzinomen der Cervix, Carzinoma in situ, oder Cervixdisplasien in Beziehung stünde.“(4

Selbst der berühmte Krebsforscher Ernest Wynder, der wie eingangs erwähnt, die Vorstellung, dass die Beschneidung von Männern das Gebärmutterhalsrisiko bei deren Partnerinnen reduzieren könne, einst selbst begründete, verwarf seine Theorie später vollständig und stellte klar, dass die Vorhautbeschneidung kein wirksames Mittel zur Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs ist:

„Zusätzliche Variablen, die bei Patienten mit Cervixkrebs  häufiger und von größerer Bedeutung sind, sind frühes Alter beim ersten Geschlechtsverkehr, multiple Sexualpartner, und niedrige sozioökonomischer Klasse. Solange keine chirurgischen Gründe (wie Phimose) beim Ehemann bestehen, ist dieser Eingriff unbegründet.“(5

Ho et al. (13) haben gezeigt, dass Co-Faktoren wie Tabbakkonsum nötig sind, um mit dem humanen Papillomavirus (HPV) infizierte cervicale Hautzellen in das Krebsstadium zu befördern. Ho et al. (14) weisen auch darauf hin, dass hohe Werte von Antioxidantien im Blutserum einen gewissen Schutz bieten können, obwohl weitere Studien nötig sind, um diese Schutzwirkung eindeutig nachzuweisen.  

Walboomers berichtete, dass HPV-DNA in mehr als 99.7 Prozent der Cervixkrebszellen nachgewiesen wurde. Die Infektion mit dem human Papillomavirus (HPV) ist eine notwendige Bedingung für die Enstehung von Gebärmutterhalskrebs.(7

Die bekannten Ätiologien (Krankheitsursachen) des Gebärmutterhalskrebs sind: früher Beginn sexueller Aktivität, die Anzahl der Sexualpartner, Rauchen und die Präsenz von HPV.(30)

Auf der Grundlage des aktuell verfügbaren Beweismaterials aus der medizinischen Wissenschaft, ist es falsch zu behaupten, es gebe einen Zusammenhang zwischen Gebärmutterhalskrebs und der Präsenz der Vorhaut beim männlichen Partner.

2002 -Wiederbelebung der „Beschneidung schützt vor Gebärmutterhalskrebs“-Hypothese:

Das New England Journal of Medicine veröffentliche 2002 einen Artikel von Castelsagué und Kollegen. Dieser Artikel behauptete aufzuzeigen, dass die Beschneidung das Risiko für HPV-Infektionen der Partnerin senken würde. Dieser Artikel wurde aufs schärfste kritisiert, aufgrund zahlreicher methodologischer Fehler, seiner Widersprüchlichkeit mit anderen publizierten Studien, und anderen Forschungsberichten von den selben Autoren, die zeigten, dass bei Ehemännern und Frauen verschiedene HPV-Typen vorgefunden wurden. (161718192021) Es wurde im Vorfeld über redaktionelle Probleme beim New England Journal of Medicine berichtet. Die Veröffentlichung dieses fehlerhaften Artikel kann die Folge dieser redaktionellen Probleme gewesen sein.

Siehe die NOCIRC Stellungnahme für weitere Informationen zum Gebärmutterhalskrebs und Beschneidung.(22)

Menszer et al. belegten, dass die Genetik, nicht die männliche Beschneidung für die niedrige Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs unter jüdischen Frauen verantwortlich ist.(25) Die Hypothese, dass jüdische Frauen weniger häufig an Gebärmutterhalskrebs erkrankten, weil ihre Ehemänner beschnitten sind, wird durch diesen Befund widerlegt.  

Schutzimpfung

Die Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) ist die notwendige, jedoch nicht alleinige, Vorrausetzung für die Bildung (Carcinogenese) des Cervixkarzinoms.(7) Eine bi-valente Schutzimpfung, die beträchtlichen Schutz vor HPV-Infektion bietet, wurde erfolgreich getestet.(26) Es ist zu erwarten, dass diese Schutzimpfung die Häufigkeit von HPV-Infektionen, Gebärmutterhalskrebs und damit verbundenen Todesfällen stark reduzieren wird.(27) Dieser bivalente (zweifache) HPV-Impfstoff (wirksam gegen die HPV-Typen 16 und 18 ), sowie ein weiterer, tetravalenter (vierfacher) HPV-Impfstoff (gegen die HPV-Typen 6, 11, 16 und 18) ist nun seit 2007 in Europa erhältlich. Es wurde niemals nachgewiesen, dass die männliche Beschneidung irgendeinen echten Schutz gegen HPV-Infektionen beim weiblichen Partner bietet, aber selbst wenn sie es täte, wäre die Beschneidung trotzdem unnötig, da die Schutzimpfung den Schutz bieten wird.(28

Siehe auch: Gebärmutterhalskrebs: Die wirklichen Ursache und die wirkliche Behandlung

Resume

Heute wissen wir, die Hauptrisikofaktoren sowohl für Peniskrebs als auch Gebärmutterhalskrebs sind der Tabbakkonsum (69), durch den Karzinogene über den Blutstrom durch den ganzen Körper verbreitet werden, sowie die Präsenz des humanen Papillomavirus (HPV) (10), der durch sexuelle Aktivität übertragen wird.  

Abraham Wolbarsts Werbeaussagen aus den 1920er und 1930er Jahren, dass die Beschneidung dem Peniskrebs vorbeugen könne, waren falsch und haben die Ärzteschaft Jahrzehnte lang getäuscht. (7)

Die Beschneidung beugt weder dem Peniskrebs bei Männern noch dem Gebärmutterhalskrebs beim weiblichen Partner vor.

Eine neue Schutzimpfung gegen den humanen Papillomvirus (HPV), schützt sowohl vor Penis- als auch Gebärmutterhalskrebs.(28) Die Angst vor Krebs darf nicht dazu missbraucht werden, die Praktik der männlichen Beschneidung zu rechtfertigen.  

Quellen:

  1. Ernest L. Wynder; Samuel D. Licklider. The Question of Circumcision," Cancer, vol. 13, no. 3 (May-June 1960): pp. 442-445.
  2. Elizabeth Stern; Peter M. Neely. "Cancer of the Cervix in Reference to Circumcision and Marital History," Journal of the American Medical Women's Association, vol. 17, no. 9 (September 1962): pp. 739-740.
  3. Circumcision and cancer of the cervix. University of Aberdeen, Dept. of Obstetrics and Gynaecology. British Journal of Cancer, Vol. XIX, Jun, 1965, No. 2:
  4. Ernst L. Wynder, M.D.(American Health Foundation). Journal of the American Medical Association, June 2, 1975, p. 961: 
  5. Terris, Wilson, Nelson. Relation of cirumcision to cancer of the cervix. Am. J. Obstet. Gynecol., Dec. 15, 1973: 
  6. Rogus BJ. Squamous cell carcinoma in a young circumcised manJ Urol 1987;138(4):861-2.
  7. Maiche AG. Epidemiological aspects of cancer of the penis in FinlandEur J Cancer Prev 1992;1(2):153-8.
  8. Brinton LA, Reeves WC, Brenes MM, et al.The male factor in the etiology of cervical cancer among sexually monogamous womenInt J Cancer
  9. Harish K, Ravi R. The role of tobacco in penile carcinomaBrit J Urol 1995;75(3):375-377.
  10. Fleiss P, Hodges F. Neonatal circumcision does not protect against cancer (letter)British Medical Journal, (London) Vol. 312 no 7033 (March 23, 1996): pp. 779-780.
  11. Shingleton H, Heath Jr CW. Letter to Peter Rappo, M.D., February 16, 1996
  12. American Cancer Society. Dispelling Miscommunications: Statement on Penile CancerACS News Today, Atlanta, (1998).
  13. Ho GY, Kadish AS, Burk RD, et alHPV 16 and cigarette smoking as risk factors for high-grade cervical intra-epithelial neoplasiaInt J Cancer 1998;78(3):281-5.
  14. Ho GY, Palan PR, Basu J, et alViral characteristics of human papillomavirus infection and antioxidant levels as risk factors for cervical dysplasia . Int J Cancer 1998;78(5):594-9.
  15. Walboomers JM, Jacobs MV, Manos MM, et alHuman papillomavirus is a necessary cause of invasive cervical cancer worldwideJ Pathol
  16. Dillner J, von Krogh G, Horenblas S, Meijer CJ. Etiology of squamous cell carcinoma of the penisScand J Urol Nephrol Suppl 2000;(205):189-93.
  17. Wyatt SW, Lancaster M, Bottorff D, Ross F. History of tobacco use among Kentucky women diagnosed with invasive cervical cancer: 1997-1998J Ky Med Assoc 2001;99(12):537-9.
  18. Oliver JC, Oliver RT, Ballard RC. Influence of circumcision and sexual behaviour on PSA levels in patients attending a sexually transmitted disease (STD) clinicProstate Cancer Prostatic Dis 2001:4(4):228-31.
  19. Milos M. NEJM Cervical Cancer Study Has Fatal FlawsBMJ 2002 Rapid Response Letter, 27 April 2002.
  20. Travis J. Misuse of the medical literatureBMJ 2002 Rapid Response Letter, 29 April 2002.
  21. Comments on Male Circumcision, Penile Human Papillomavirus Infection, and Cervical CancerNew Engl J Med 2002;47(18):1448.
  22. National Organization of Circumcision Information Resource Centers. Position Statement on the Use of Male Circumcision to Prevent Cervical Cancer. San Anselmo: National Organization of Circumcision Information Resource Centers, 2002.
  23. Hill G. Evidence sketchy on circumcision and cervical cancer linkCan Fam Physician 2003;49:1591.
  24. Bhimji A, Harrison D. Evidence sketchy on circumcision and cervical cancer linkCan Fam Physician 2003;49:1591.
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  26. Harper DM, Franco EL, Wheeler C, et al. Efficacy of a bivalent L1 virus-like particle vaccine in prevention of infection with human papillomavirus types 16 and 18 in young women: a randomised controlled trialLancet
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  28. Crum C, Jones C, Kirkpatrick P. Fresh from the pipeline: Quadrivalent human papillomavirus recombinant vaccineNat Rev Drug Discov 2006;5:629-630.
  29. Van Howe RS, Hodges FM. The carcinogenicity of smegma: debunking a mythJ Eur Acad Dermatol Venereol 2006;20(9):1046.
  30. Van Howe RS. Human papillomavirus and circumcision: A meta-analysisJ Infect (2006) Sept 22 (E-pub ahead of print) doi:10.1016/j.jinf.2006.08.005
  31. Hill G. The "foreskin causes cancer" myth. Knol 2008.