Die Beschneidung von Kindern ist ein schmerzhafter und stressvoller Eingriff. Wird er an Kindern im Säuglingsalter durchgeführt, werden die Säuglinge durch den Eingriff so sehr erschöpft und geschwächt, dass einige Säuglinge danach unfähig sind, an der Brust zu saugen (1). Medizinische Behörden [in den USA] empfehlen deshalb, Beschneidungen nur an gesunden und stabilen Säuglingen durchzuführen. Mangels medizinischer Indikation (und da der chirurgische Eingriff nur an „gesunden und stabilen“ Säuglingen durchgeführt wird) beschreibt der Rat für wissenschaftliche Angelegenheiten der AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION (AMA) [dt. etwa Amerikanischer Ärzteverband], die mutwillige Säuglingsbeschneidung treffend als einen „nicht-therapeutischen Eingriff“ (2).
Die Hypothesen über sämtliche gesundheitlichen Vorteile der Beschneidung beschränken sich auf einen möglichen prophylaktischen Vorteil im späteren Leben. Die Beschneidung des Neugeboren, so meinen die Befürworter, könne der Phimose, Infektionen durch sexuell übertragbaren Krankheiten, Harntraktinfektionen im ersten Lebensjahr, Peniskrebs sowie dem Gebärmutterhalskrebs der Partnerin vorbeugen. Diese Behauptungen stammen aus der Ära der Meinungs-basierten Medizin, also einer Zeit, als Ärzte sich ohne jedwede wissenschaftlichen Belege auf die Meinung anderer Ärzte verließen anstatt auf medizinwissenschaftliche Beweise (z.B. 3) Jede dieser Behauptungen soll im folgenden kritisch untersucht werden:
Phimose ist ein Begriff, der gebraucht wird, um einen Zustand zu beschreiben, bei dem das Präputium (Vorhaut) nicht zurückgezogen werden kann.
Beinahe jeder neugeborene Junge hat eine nicht-zurückschiebbare Vorhaut. Diese kann 3 mögliche Ursachen haben:
Eine nicht zurückschiebbare Vorhaut ist keine Krankheit, sondern eine normale, entwicklungsphysiologische Phase bei Jungen. Die Vorhaut wird allmählich zwischen dem Kleinkindalter und dem 18. Lebensjahr zurückziehbar.(4) Ungefähr 1 Prozent der Männer über 18 Jahre haben immer noch eine nicht-zurückziehbare Vorhaut. Ein unangenehmes Frenulum breve kann durch einem kleinen Einschnitt in das Frenulum (Frenuloplastik, =Frenulumverlängerung) behandelt werden.(5)
Phimose ist keine lebensbedrohliche Krankheit und bedarf gewöhnlich keiner Behandlung. Wenn eine Behandlung angebracht erscheint, kann Phimose mittels Steroidsalben [umgangsprachlich auch als „Kortison-haltige Salben“ bezeichnet] ohne jedes Operationsrisiko behandelt werden.(6-9)
Neugeborenbeschneidungen können zu einer Postzirkumzisionsphimose führen, da sich die Beschneidungsnarbe vor der Eichel zusammenziehen kann, sodass die Eichel hinter dem so enstandenen phimotischen Ring eingeklemmt wird. Blalock et al. (2003) zeigen, dass Phimose bei 2.9 Prozent aller Beschneidungspatienten auftritt.(10) Das übersteigt –um das Dreifache– die von ØSTER (1968) angegebene Häufigkeit einer nicht-zurückschiebbaren Vorhaut am Ende der Pubertät. Es ist folglich klar, dass die Beschneidung nicht zur Prävention von Phimose empfohlen werden kann.
Bereits 1855 spekulierte der Beschneidungsbefürworter Hutchinson, der die Beschneidung hauptsächlich als Heil- und Präventionsmaßnahme gegen die Masturbation bewarb (11), über einen Zusammenhang zwischen Präsenz der Vorhaut und sexuell übertragbaren Krankheiten und veröffentlichte seine Mutmaßungen (12). Seit jener Zeit sind eine Vielzahl Abhandlungen zu diesem Thema veröffenlicht worden, die insbesondere zu Krisenzeiten wie etwa während des 2. Weltkrieges durchgeführt wurden. Die Ergebnisse dieser Erhebungen sind uneinheitlich und widersprüchlich (15). So können letztlich keine signifikanten Unterschiede bezüglich des Zirkumzisionsstatus festgestellt werden, weder in der bakteriellen Flora (Mycobact. smegmaticus, Mycoplasmen, Trichomonaden, Clamydien, Candida), noch in der Häufigkeit sexuell übertragbarer Krankheiten (Gonorrhö, Urethritis sonst. Genese, Lues, Ulcus molle, Herpes, HIV) (14).
Cook et al. (1994) gelang es nicht, einen definitiven Vorteil der Beschneidung nachzuweisen – ihren Befunden zufolge haben nicht-zirkumzidierte Männer eine geringfügig höhere Tendenz an Syphilis und Gonorrhöe zu erkranken, dafür ein geringeres Risiko, Genitalwarzen zu bekommen (15). Donovan et al. (1994) fanden hinsichtlich der Häufigkeit von sexuell übertragenen Krankheiten keinen signifikanten Unterschied zwischen zirkumzidierten und „naturbelassenen“ Männern (16).
Van Howe (1999) stellte fest, dass beschnittene Männer ein leicht erhöhtes Risiko für Urethretis haben und unbeschnittene Männer anfälliger für genitale Ulcerkrankheiten (GDU) sind (14). Dickson et al. (2008) stellten eine größere Häufigkeit von sexuell übertragbaren Krankheiten bei beschnittenen Männern fest, befanden den aber Unterschied aber für statistisch nicht signifikant (13).
Das Fötus- und Neugeborenenkomitee der Kanadischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (Canadian Paediatric Society) erklärt, dass die „Beschneidung keine signifikante Auswirkung auf die Inzidenz häufiger STD (sexually transmitted deseases) hat“ (17)
Die „Projektgruppe Beschneidung“ des Amerikanischen Kinderärzteverbands, der American Academy of Pediatrics, merkte 1999 an, dass „Verhaltensfaktoren bei weitem bedeutender sind, als der Beschneidungsstatus“ (18). Die Behauptung, dass die Beschneidung das Risiko für sexuell übertragene Krankheiten senken könne, ist durch die medizinische Literatur daher nicht belegbar.
Während sich die angebliche Schutzwirkung der Beschneidung bezüglich sexuell übertragener Krankheiten wissenschaftlich nicht belegen lässt, gibt es bewiesenermaßen effektive Maßnahmen zur Vorbeugung sexuell übertragbarer Krankheiten: angemessene Hygiene, Schutzimpfungen und Safer-Sex-Praktiken einschließlich des Gebrauchs von Kondomen
In jüngster Zeit wurden immer wieder medial Behauptungen vorgebracht, wonach die männliche Beschneidung die Übertragung des humanen Immundefizienz-Virus (HIV) von Frauen auf Männer reduzieren könne.
Anfang 2007 veröffentlichte die Lancet, begleitet von einer massiven Werbekampagne, zwei koordinierte kontrollierte Studien (RCTs) (19, 20), denen zufolge die Beschneidung das Risiko für HIV-Übertragungen von infizierten Frauen zu heterosexuellen Männer reduzieren könne. Die Veröffentlichung der Studienergebnisse wurde von einer massiven Werbekampagne begleitet. Die Ergebnisse dieser Studien könnten jedoch darauf zurückzuführen sein, dass die beschnittenen Männer nach der Operation eine nicht unbedeutende Zeit lang abstinent leben mussten. Darüber hinaus wurden beide Studien vorzeitig abgebrochen, noch bevor die Häufigkeit von HIV-Neuinfektionen bei den untersuchten beschnittenen Männern die Häufigkeit von Neuinfektionen bei den untersuchten nichtbeschnittenen Männern einholen konnte. Wenn die Studien über den gesamten, ursprünglich geplanten Zeitraum durchgeführt worden wären, wäre sehr wahrscheinlich nur ein unbedeutender Unterschied zwischen der beschnittenen und der nichtbeschnittenen Gruppe feststellbar gewesen.
Mills & Siegfried weisen darauf hin, dass ein vorzeitiger Abbruch derartiger Studien die Vorteile der untersuchten Maßnahme überhöht (21).
Wenn die Beschneidung erforscht wird, müssen ferner kulturelle Vorurteile in Betracht gezogen werden
„Beschneidungspraktiken werden weitgehend kulturell bestimmt. Daraus ergeben sich starke Überzeugungen und Meinungen rund um die Praktik. Es ist wichtig zu beachten, dass die persönlichen Vorurteile der Wissenschaftler und die dominierende Beschneidungspraktik in ihren jeweiligen Herkunftsländern ihre Interpretation der Ergebnisse beeinflussen kann.“(22)
Immer noch werden mehr als 50 Prozent der neugeborenen Jungen in Nordamerika routinemäßig beschnitten. Die kulturellen Vorurteile pro Beschneidung in Nordamerika sind wohlbekannt (23-26). Sie können auch die Autoren der Studien beeinflusst haben. Die Ärzte, die diese Studien durchführen, weisen nicht die notwendigen Eigenschaften von Neutralität und Objektivität auf. Und tatsächlich sind die Autoren beider Studien –Ronald H. Gray, Stephen Moses, und Robert C Bailey– erklärte Beschneidungsbefürworter, welche die Beschneidung von Jungen bereits viele Jahre vorher propagierten (27). Professor Moses hat sich mindestens seit 1994 für die Beschneidung ausgesprochen (28). Professor Bailey ist seit mindestens 1999 ein Beschneidungsbefürworter (29). Die Befangenheit der Forscher kann somit nicht ausgeschlossen werden.
Dowsett & Couch (2007) untersuchten die Ergebnisse der randomisierten Kontrollstudien (RTCs), kamen aber dennoch zu dem Schluss, dass keine ausreichenden Beweise vorliegen um die Beschneidung zur Prävention von HIV-Infektionen zu empfehlen (30). Green et al. (2008) untersuchten das Beweismaterial bezüglich der Beschneidung zur HIV-Präventionen und stellten „unzureichende“ sowie „sich widersprechende“ Daten fest. Sie kamen zu dem Schluss:
„Die Weltgemeinschaft muss die Langzeit-Konsequenzen von Kampagnen zur Massenbeschneidung behutsam untersuchen und sorgfältig überdenken, vom Risiko zunehmender Todesfälle und Infektionen bis hin zu Menschenrechtsverletzungen. Im überstürzten Drang, "Menschenleben zu retten" können stattdessen viel mehr Menschenleben verloren und Menschenrechte in der Massenhysterie niedergetreten werden. Die Beschneidung ist nicht das Allheilmittel, auf das die Welt im Kampf gegen die HIV-Krise gewartet hat.“(31)
Die Epidemie von HIV-Infektionen in Mitteleuropa konzentriert sich unter Männern, die Sex mit Männern haben (MSM). Zwei Studien wiesen nach, dass männliche Beschneidung zur HIV-Prävention bei MSM unwirksam ist (32, 33).
Darüber hinaus sind RCTs, die unter Erwachsenen in Afrika durchgeführt wurden, nicht relevant für Kinder in Europa. Selbst wenn die afrikanischen RCTS akkurat wären, die Häufigkeit der Infektion und das Risiko zur Infektion sind in Europa um ein Vielfaches geringer als in Afrika. Darüber hinaus haben Kinder keinen Geschlechtsverkehr und sind folglich auch nicht von einer HIV-Infektion durch sexuelle Übertragung gefährdet. Die afrikanischen Kontrollstudien sind daher nicht auf Europa übertragbar.
Es gibt jedoch auch Studien, die nicht nur aufzeigen, dass die Beschneidung keinen signifikanten Einfluss auf das Risiko für HIV-Infektionen hat, sondern dieses im Gegenteil sogar noch erhöht. Eine Studie ergab, dass männliche Beschneidung keinen Schutzeffekt für Frauen hat (33) und eine andere Studie belegte, dass männliche Beschneidung das Infektionsrisiko für Frauen erhöht.(35) Grosskurth fand mehr HIV-Infektionen bei beschnittenen Männern (36). Barongo et al. konnten ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen fehlender Beschneidung und dem Risiko für HIV-Infektion feststellen.(39) Eine Studie in Indien fand nur geringfügige Unterschiede zwischen beschnittenen und nicht-beschnittenen, verheirateten Männern (40). Eine Studie, die in Südafrika durchgeführt wurde, fand nur einen unbedeutenden Schutzeffekt durch Beschneidung (39). Eine Studie unter amerikanischem Marine-Personal fand keinen Unterschied in der Häufigkeit von HIV-Infektionen zwischen beschnittenen und "naturbelassenen" Männern.(40)
Neue Forschungsergebnisse aus den Niederlanden zeigen, dass die auf der inneren Vorhaut vorhandenen Langerhans-Zellen, ein Langerin genanntes Protein produzieren, das HI-Viren zerstört. Langerhans-Zellen wurden früher als bevorzugte Eintrittspforten für das HI-Virus gehalten, nun zeigt sich, dass sie, und damit auch die Vorhaut, eine erste Verteidigungslinie des Körpers sein könnten.
Kondome sind ein effektives Mittel zur Prävention sexuell übertragbarer Krankheiten, einschließlich HIV (43).
Ginsburg & McCracken (1982), die Harntraktinfektionen bei männlichen Säuglingen am Parkland-Hospital in Dallas untersuchten, merkten in ihrer Studie an, dass 95% der männlichen HTI-Patienten nicht beschnitten waren (42). Sie mutmaßten, dass die fehlende Beschneidung auf irgendeine Weise die Infektion begünstigt hatte. Das Parkland-Hospital jedoch, ein öffentliches Krankenhaus, führte damals keine Neugeborenbeschneidungen aus, selbst wenn die Eltern danach verlangten (43), so dass der Großteil der Klientenpopulation am Parkland-Hospital unbeschnitten gewesen sein muss—eine Tatsache, die von Ginsburg & McCracken anscheinend übersehen wurde.
Diese Beobachtung veranlasste den Militärarzt Dr. Wiswell zur Durchführung retrospektiver Studien, in denen er die Häufigkeit von Harntraktinfektionen bei beschnittenen und unbeschnittenen neugeborenen Jungen verglich. Diese Studien wiesen alle schwere methodologische Fehler auf. So kontrollierten die Studien unter anderem keine Störfaktoren –wie etwa mögliche Infektionen der Mütter, ein zu hohes oder zu niedriges Geburtsgewicht, Rooming-in, die Methode zur Sammlung der Urinproben, die Art der hygienischen Pflege und das Stillen.
Das Fötus- und Neugeborenen-Komitee der Canadian Pediatric Society untersuchte die von Wiswell et al. vorgelegten Daten und stellten fest, dass Wiswells Daten „nicht hinreichend aussagekräftig [sind] um eine Änderung ihrer bestehenden Richtlinie, der zufolge Beschneidungen unnötig sind und nicht ausgeführt werden sollten, zu rechtfertigen (44). Altshul (1990) verwies darauf, dass die Studien nur eine Korrelation aufzeigten, nicht jedoch Ursache und Wirkung (45). Thompson (1990) stellte fest:„Eindeutige Beweise, dass fehlende Zirkumzision ein Risikofaktor für häufigere Harntraktinfektionen sei, sind gegenwärtig keine verfügbar.(46) Chessare (1993) verglich die angeblichen Vorteile der Prävention von HTI mit den Nachteilen und Komplikationen und stellte fest, dass, selbst wenn Wiswells Behauptungen stimmen würden, würde „keine Beschneidung immer noch den größten medizinischen Nutzen bringen“ (47).
Mueller et al. (1997) stellte keinen Unterschied in der Häufigkeit von HTI bei beschnittenen und nichtbeschnittenen Jungen mit normaler Harntraktanatomie fest (48).
Andere Studienergebnisse legen nahe, dass die Zirkumzision das ohnehin geringe Grundrisiko für Harntraktinfektionen eher erhöht denn verringert: So zeigten mehrere Studien aus Israel einen deutlichen Zusammenhang zwischen ritueller Beschneidung am 8. Tag und sofortiger Harntraktinfektion nach der Operation (49-51).
Um die Angelegenheit nüchtern zu betrachten: Eine Studie von Mårild et al. (1998) aus Schweden, einem Land, in dem keine Säuglingsbeschneidung praktiziert wird, stellte fest, dass in den ersten sechs Lebensjahren die Häufigkeit von Harnwegsinfektionen bei Jungen 1.8 Prozent, bei Mädchen hingegen 6.6 Prozent beträgt (52). Harnwegsinfektionen nach dem ersten Lebensjahr sind bei Jungen selten. Sollte eine HTI auftreten, kann diese einfach medikamentös behandelt werden. McCracken (1989) and Larcombe (1999) zeigten auf, dass Harntraktinfektionen schnell auf eine Antibiotika-Therapie ansprechen (53, 54).
In ihrer „evidenzbasierten“ Stellungnahme verwies die Projektgruppe zur Beschneidung der American Academy of Pediatrics auf schwere methodologische Fehler in allen vorliegenden Studien und lehnte eine Empfehlung zur Beschneidung zwecks Reduktion von Harntraktinfektionen ausdrücklich ab (17). Das Royal Australasian College of Physicians (RACP) [das Königlich Australasische Ärztekollegium] erklärt, dass die routinemäßige nicht-therapeutische Beschneidung „auf der Grundlage der Prävention von HTI nicht gerechtfertigt werden kann“ (55).
Der medizinische Konsens ist, dass die Beschneidung nur geringen bis gar keinen Nutzen zur HTI-Reduktion besitzt. Die Risiken, Komplikationen und Nachteile, die mit der Beschneidung einhergehen, überwiegen jegliche etwaige HTI-Reduktion. Die Vorstellung, dass durch eine Beschneidung Harntraktinfektionen vorgebeugt werden kann, wird mehr und mehr als Mythos angesehen – ein Mythos, der von Ginsburg & McCracken begründet wurde, die nicht erkannten, dass die Klientenpopulation am Parkland-Hospital in Dallas mehrheitlich unbeschnitten war.
Medizinische Behörden und ärztliche Fachgesellschaften raten zum natürlichen Stillen –und nicht zur Beschneidung– um Harntraktinfektionen in der Kindheit vorzubeugen (57, 58). Darüber hinaus konnten Hansen (2004) (58) und Mårild et al. (2004) (59) nachweisen, dass das Stillen sogar nach dem Abstillen weiterhin einen Schutzeffekt leistet.
Bislang wurde nur eine randomisierte kontrollierte Studie über die Beziehung zwischen der Zirkumzision und Harntraktinfektionen durchgeführt. Diese Studie von Kwak et al. (2004) stellte fest, dass die Zirkumzision weder ein wirksames Mittel zur Prävention, noch zur Behandlung von Harnwegsinfektionen, ist und entkräftete damit die Ergebnisse von Wiswells retrospektiven Studien, denen zufolge die Beschneidung das Risiko von Jungen, an Harnwegsinfekten zu erkranken, reduzieren würde (60).
Abraham L. Wolbarst, der berüchtigte Beschneidungspropagandist aus dem frühen 20. Jahrhundert, begründete den Mythos, dass Neugeborenenbeschneidung absoluten Schutz gegen Peniskrebs bieten würde, zu einer Zeit (1932), als die Ätiologie des Krebs noch nicht ausreichend verstanden wurde (63). Seine Behauptungen wurden damals als Fakten angesehen und bedauerlicherweise findet man heute immer noch solche Aussagen in der medizinischen Literatur. Es dauerte aber nicht lange, bis Ärzte Fälle von Peniskrebs bei beschnittenen Männern dokumentierten (62). Maden et al. (1993) beschrieben 41 Fälle von Peniskrebs bei beschnittenen Männern (63). Es wurde zweifellos deutlich, dass Beschneidung dem Peniskrebs nicht vorbeugte.
Die wahren Risiko-Faktoren wurden erst in den 1980ern erkannt. DNA des humanen Papillomvirus (HPV) wurde in Peniskrebszellen nachgewiesen (64). Eine Infektion mit dem HP-Virus (die durch sexuellen Verkehr erfolgt) stellt einen wesentlichen Risikofaktor dar. Ein weiterer bedeutender Risikofaktor ist der Tabakkonsum (65).
Maden et al. (1993) behaupteten fälschlicherweise, die fehlende Beschneidung wäre ein Risikofaktor für den Peniskrebs (65), aber Cold et al. (1997) entdeckten, dass Maden seine Daten nicht auf das Lebensalter angeglichen hatte (66). Wenn Madens Daten sachgemäß auf das Alter der Studienteilnehmer angeglichen wurden, lies sich kein statistisch relevanter Unterschied zwischen dem Peniskrebs-Risiko von beschnittenen und dem von nicht-beschnittenen Männern mehr feststellen (66).
Die Beschneidung ist ineffektiv zur Prävention von Peniskrebs. Bissada et al. (1986) zeigen auf, dass sich Peniskrebs an der Beschneidungsnarbe bildet (67). Die American Academy of Family Physicians (AAFP) erklärte, dass 600 bis 900 Beschneidungen notwendig wären, um einem einzigen Fall von Peniskrebs vorzubeugen (70). Die AAP erklärte, dass das Peniskrebsrisiko bei nichtbeschnittenen Männern „etwas“ höher sei als bei beschnittenen Männern, aber dennoch gering bleibe (17). Die AMA erklärt weiter, dass der Einsatz der Beschneidung als Präventionsmaßnahme gegen Peniskrebs, da diese Erkrankung äußert selten vorkommt und erst im späteren Leben auftritt, nicht gerechtfertigt ist (2).
Die bedeutendsten Risikofaktoren für Gebärmutterhalskrebs sind Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) (69) sowie das Rauchen (70). Das Risiko für HPV-Infektionen wird durch einen frühen Beginn sexuellen Verkehrs und häufig wechselnde Sexualpartner erhöht (73). Es gibt keinen klaren Beleg dafür, dass die männliche Beschneidung das Infektionsrisiko reduzieren würde.
Die Hypothese, dass die männliche Beschneidung das Risiko der Partnerin reduzieren könne, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, ist schon seit langer Zeit und wiederholte Male widerlegt worden (72-75).
So zeigten mehrere Studien von unterschiedlichen Autorenkollektiven, dass die Häufigkeit von Cervixkarzinomen bei Frauen mit beschnittenen Partnern und bei Frauen mit nichtbeschnittenen Partnern gleich hoch ist (72-75).
Das Royal Australasian College of Physicians (RACP) verweist auf neue Impfstoffe, die HPV-Infektionen effektiv vorbeugen. Die RACP fand keinerlei Daten, die darauf hindeuten, dass die Beschneidung einen zusätzlichen Vorteil brächte (57).
Die HPV-Schutzimpfung ist heute Realität und wird Mädchen im Jungendalter angeboten (76).
Wenn die HPV-Schutzimpfung allgemeine Anwendung findet, sollte sie der Bedrohung durch den Gebärmutterhalskrebs ein Ende bereiten.
Den Behauptungen über die „potentiellen Vorteile“, welche die Beschneidung angeblich bringen soll, fehlt es an jedweder wirklicher Untermauerung durch die medizinische Wissenschaft.