Ein Jahrhundert der Beschneidung zur Kontrolle der Masturbation von Säuglingen, Kindern und Erwachsenen.

In Großbritannien, den USA, Australien und Neuseeland gleichermaßen war die Angst vor der Masturbation die größte treibende Kraft hinter der Einführung der routinemäßigen Beschneidung von Jungen im späten 19. Jahrhundert.

Zwar war die Vorbeugung gegen die Masturbation als Rechtfertigungsgrund zur medizinisch unnötigen Beschneidung irgendwann alleine nicht mehr ausreichend, sodass schnell hygienische und gesundheitliche „Gründe“ gefunden werden mussten, dennoch blieb der Lust-mindernde Effekt der Beschneidung und ihre präventive Wirkung gegen die Masturbation weiterhin eines der wichtigsten Verkaufsargumente für die Beschneidung und noch in den 1970er wurde in führenden amerikanischen Medizinlehrbüchern die Vorbeugung der Masturbation als legitimer Grund zur Beschneidung von Säuglingen und Kindern angeführt.

Es folgt nun eine Auswahl an Zitaten aus dem Zeitraum von 1870 bis 1970, die zeigen, dass die Ärzteschaft über ein Jahrhundert lang die Vorbeugung der Masturbation als einen der gewichtigsten Vorteile der Beschneidung anführte.

M.J. Moses, “The value of circumcision as a hygienic and therapeutic measure”, New York Medical Journal 14, Oktober 1871, 368-74

behandelt die Prävention der Masturbation als den ersten von mehreren Gründen für die Beschneidung:

„Seit Menschengedenken wurden Männer der Medizin von Eltern aufgesucht und um ihren Rat zu Kindern gebeten, deren verstörte Gesichter und extreme nervöse Reizbarkeit ihnen Sorge und Angst bereitete. Das geschulte Auge des Chirurgen sieht durch einen Schleier hindurch, der den Fall überschattet und erkennt, welchen Schaden eine einzige Ursache dem Nervensystem des kleinen Leidenden zufügt. Die Untersuchung des Falls bringt häufig eine lange, verengte und gereizte Vorhaut zu Tage, deren Präsenz für die anfängliche Ursache des Problems verantwortlich ist.“

„Ich führe die Masturbation als eine der Auswirkungen einer langen Vorhaut zurück. Nicht, dass dieses Laster vollständig ausbliebe bei jenen, die einer Beschneidung unterzogen wurden, obwohl ich niemals einen derartigen Fall bei einem jüdischen Kind dieses sehr zarten Alters sah, außer infolge des Umgangs mit Kindern, deren bedeckte Eichel sie selbstredend zu dieser Gewohnheit antrieb.“

Edgar Spratling, “Masturbation in the adult”, Medical Record 48, 28.September 1895, 442-3

Die Prävention der Masturbation als genügender Grund zur Beschneidung:

„In allen Fällen der Selbstbefriedigung [Masturbation] ist die Beschneidung zweifelsohne des Arztes engster Freund und Verbündeter, da sie ein garantiertes Mittel zur dauernden Eindämmung derselben ist und auch sonst Vorteile bietet. Jene Fälle, in der die Glans eine feuchte, halbölige Erscheinung hat, umgeben von einer langen, dicken Vorhaut, die nachgiebig und biegsam ist mit großen, oft schmerzhaften Dorsalvenen, ergeben ein Gesamtbild, das für die Schere des Chirurgen eine außerordentliche Verführung darstellt.“

„... Um das beste Ergebnis zu erzielen muss man so viel Haut und Schleimhaut wegschneiden, dass der verbliebende Rest straff gezogen ist, wenn später Erektionen eintreten. Es darf kein Hautspiel mehr vorhanden sein, sobald die Wunde gründlich geheilt ist. Die Resthaut muss vielmehr straff am Penis anliegen. Sollte es nur den geringsten Spielraum geben, wird der Patient seine Praktik wieder bedenkenlos aufnehmen, die Zeit und den zusätzlichen Aufwand nicht bedauernd, der erforderlich sein wird um einen Orgasmus zu erreichen. Immerhin ist es jedenfalls eine Tatsache, dass, je mehr Zeit nötig ist um den Orgasmus zu erreichen, desto weniger häufig versucht wird, diesen zu erreichen und folglich umso größer der erreichte Nutzen ist.s

John Harvey Kellogg, M.D., Treatment for Self-Abuse and its Effects, Plain Facts for Old and Young, Iowa: F. Segner & Co. (1888), 295


„Ein Mittel gegen Masturbation, welches bei kleinen Jungen fast immer erfolgreich ist, ist die Beschneidung. Die Operation sollte von einem Arzt ohne Betäubung durchgeführt werden, weil der kurze Schmerz einen heilsamen Effekt hat, besonders, wenn er mit Gedanken an Strafe in Verbindung gebracht wird. Bei Mädchen, so hat der Autor herausgefunden, ist die Behandlung der Klitoris mit unverdünnter Karbolsäure hervorragend geeignet, die unnatürliche Erregung zu mindern.“

M. Clifford, Circumcision: Its Advantages and How to Perform it (London: Churchill, 1893), 6-8


„Die Eichel des Penis ist sehr vaskulär [= sehr gut durch Blutgefäße versorgt; Anm. d. Red.] und dicht mit Nerven durchsetzt… und die geringste Reizung genügt um großes Unbehagen zu verursachen. Nicht selten lässt sich beobachten, wie ein Kind in der Folge an seiner Vorhaut zieht. Mit zunehmendem Alter wird die Angewohnheit der Masturbation sehr häufig darauf zurückgeführt. Aber nach der Beschneidung ist die Eichel immer trocken. Sie verliert so viel von ihrer extremen Empfindlichkeit, und da jedwede widernatürliche Irritation verhindert ist, wird das Denken nicht auf die Sexualorgane gerichtet, und es wird dem Laster, welches im frühen Mannesalter nur allzu häufig praktiziert wird, stark Einhalt geboten … Die Reinlichkeit und die Keuschheit, welche die Beschneidung zweifelsfrei fördert, sind vermutlich der Grund, warum die Operation seit so vielen Jahrhunderten praktiziert wird, und sind vielleicht auch die Ursache, warum sie eine religiöse Bedeutung erlangte."

Man vergleiche das mit dem Versuch eines Brian Morris, einem Molekularbiologen aus Australien, die eindeutige Absicht der Masturbationsbekämpfung in Abrede zu stellen und von „Zufällen“ zu sprechen. Die „Ratgeber“ dieses weltweit lautstärksten Beschneidungsbefürworters unserer Zeit für Eltern und Jugendliche sind in der Beschneidungsfetischisten-Szene sehr gefragt:

„Die Vorstellung… dass die Beschneidung in dieser Ära dazu genutzt wurde um die Masturbation zu verhindern ist in Wahrheit eine von Anti-Beschneidungsgruppen verbreitete Lüge. Der wahre Grund war, dass die Beschneidung Smegma, Jucken und so weiter verhinderte, und daher Jungen davon abhielt sich an den Genitalien zu kratzen. Die Tatsache, dass solch eine übermäßige Aufmerksamkeit gegenüber einem Penis zu einer Erregung und dadurch zur Masturbation geführt haben mag, war reiner Zufall. Die Viktorianer führten viele der gleichen mit dem unbeschnittenen Penis assoziierten medizinischen Probleme an, wie die Leute heutzutage anführen.“
Brian Morris, In Favour of Circumcision (Sydney: UNSW Press, 1999), 57

N. Bergman, “Report of a few cases of circumcision”, Journal of Orificial Surgery, Vol. 7, December 1898, pp. 249-51


„Clarence B. war dem geheimen unter Jungen praktizierten Laster verfallen. Ich führte eine […] Beschneidung durch. Er bedurfte der rechtmäßigen Strafe der Schmerzen des Schneidens nach seinen verbotenen Freuden.“

Ernest G. Mark, “Circumcision”, American Practitioner and News 31, 1901, 231

Verringerte Neigung zu Masturbieren:

„Ein weiterer Vorteil der Beschneidung… ist die verringerte Anfälligkeit zur Masturbation. Eine lange Vorhaut ist reizend per se, da sie mehr Manipulation der Geschlechtsteile während des Bades notwendig macht…. Das verleitet das Kind dazu mit diesen Teilen zu hantieren, und in aller Regel werden lustvolle Empfindungen durch diese extrem empfindliche Schleimhaut ausgelöst, mit daraus resultierender Manipulation und Masturbation. Die Entblößung der Eichel infolge der Zirkumzision... verringert die Empfindlichkeit des Organs. Es obliegt daher dem Arzt, dem Familienberater in Fragen der Hygiene und der Medizin, ihre Akzeptanz voranzutreiben.“

G. Frank Lydstone, Sex Hygiene for the Male (Chicago 1912), 158-9

Prävention der Masturbation als Hauptgrund für die Kinderbeschneidung:


„Die Beschneidung ist eine äußerst empfehlenswerte Praktik… Die Beschneidung fördert die Reinlichkeit, beugt Krankheiten vor, und indem sie die Überempfindlichkeit der Geschlechtsteile reduziert, mindert sie die sexuelle Reizbarkeit und korrigiert somit jede etwaige Neigung zu unanständigen Manipulationen der Genitalorgane und der folgenden Aneignung böser sexueller Gewohnheiten wie etwa der Masturbation.“

Abraham Wolbarst, “Universal circumcision as a sanitary measure”, Journal of the American Medical Association 62, 10.  Januar 1914, 92-97

Die Prävention der Masturbation war der vierte der sieben von Wolbarsts angeführten Gründe, warum die Beschneidung der medizinisch-moralische Imperativ für das 20 Jahrhundert werden sollte:

„Es ist eine wohlbekannte Tatsache, dass die Vorhaut häufig ein Faktor für die Entstehung der Masturbation ist, nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen. Das beweist auch umfangreich die Tatsache, dass die Beschneidung als das wirksamste Heilmittel in diesen Fällen [der Masturbation] anerkannt wird.“

William J. Robinson MD, “Circumcision and masturbation”, Medical World 33, October 1915, 390

Prävention der Masturbation allein stellt einen ausreichenden Grund zur Beschneidung wehrloser Kinder dar:

„Es gibt hundert Gründe für die Beschneidung, aber um über sie alle im Detail zu sprechen, müsste man ein Buch oder zumindest einen ziemlich großen Essay schreiben. An dieser Stelle beabsichtige ich nur einen Punkt anzusprechen, nämlich die Beziehung zwischen der Vorhaut und der Masturbation.

Ich bin überzeugt, die Vorhaut ist einer der Hauptfaktoren, der die Masturbation bei Jungen verursacht, und viele Fälle der Masturbation können nicht erfolgreich behandelt werden, ehe nicht die Vorhaut entfernt ist. Das ist das Dilemma, in dem wir uns befinden: Wenn wir den heranwachsenden Jungen nicht lehren seine Vorhaut zurückzuschieben und die Eichel zu reinigen, besteht die Gefahr, dass sich Smegma ansammelt und sich Verwachsungen und Geschwüre bilden, die selbst wiederum Reizungen verursachen, die sehr wahrscheinlich zur Masturbation führen. Wenn wir den Jungen lehren die Vorhaut zurückzuschieben und die Eichel zu reinigen, ist diese Handarbeit allein ausreichend um allmählich und beinahe ohne das Wissen des Jungen ihn in die Gewohnheit der Masturbation einzuweisen.

Während die Masturbation nicht das schreckliche Übel ist, für die sie einst gehalten wurde, und wir die Tatsache heute anerkennen, dass sich die meisten Kinder von ihr erholen ohne dauerhafte Schäden davonzutragen, möchten wir dennoch alles Mögliche vermeiden, was einen Faktor für die Entstehung der Masturbation darstellen könnte, und da die Vorhaut zweifelsfrei ein solcher Faktor ist, sollte sie amputiert werden. Deshalb, einmal mehr, weg mit der Vorhaut!“

"The People's Home Library", A Library of Three Practical books Published by R.C Barnum Company, 1917


Zirkumzision und Operation der Klitoris. Die Zirkumzision ist die Entfernung der Vorhaut beim Manne. Manchmal muss die Klitorisvorhaut beschnitten oder zurückgezogen werden. Manchmal ist die Vorhaut oder die Klitorisvorhaut so eng, dass sie Irritationen auslöst und Leidenschaften erregt und diese können Masturbation verursachen. Ist das der Fall, sollte diese Operation erfolgen. Eltern sollten sehr sorgsam auf diese Zustände achten, da sie, neben einem verderbten Geist, die Ursache für viele unmoralische Praktiken sind. Jeder Elternteil sollte dafür sorgen, dass diese Operationen durchgeführt werden, wenn es notwendig ist, und genau das ist sehr häufig der Fall. Wie häufig, sehen wir an den Kleinen, die sich an ihren Geschlechtsteilen reiben. Wann immer ein Kind dabei beobachtet wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass es entweder unrein ist oder eine der oben genannten Operationen benötigt. Lassen Sie Ihr Kind nicht durch Vernachlässigung zum unfreiwilligen Masturbator werden.“

Richards, FC and Richards, Eulalia S. Ladies handbook of home treatment: The ladies medical adviser.  Melbourne: Signs Publishing Co; n.d. [c.1920]. 349–50.

Zur Kontrolle der gefährlichen Unsitte der Masturbation bei Jungen, rieten F.C. und Eulalia Richards in ihrem Medizinratgeber zu elterlicher Wachsamkeit, moralischer Ermahnung des Kindes, und chirurgischen Eingriffen:

„Die Beschneidung führt bei Fällen von Jungen, die dem Selbst-Missbrauch [Masturbation] verfallen sind, oft eine schnelle Heilung herbei. Wir erklären ohne zu zögern, dass jeder Junge, der dieses geheime Laster praktiziert, beschnitten werden sollte, da diese Operation häufig einen sehr günstigen Einfluss auf das Kind ausübt, von dem Guten einmal abgesehen, das [die Beschneidung] bei der Korrektur von örtlichen Defekten bewirkt.“

R.W. Cockshutt, "Circumcision." British Medical Journal, vol. 2 (19.  October, 1935) S. 764.


„Ich empfehle alle männlichen Kinder zu beschneiden. Das ist zwar "wider die Natur", aber das ist genau der Grund, warum es getan werden sollte. Die Natur sieht vor, dass der adoleszente Junge so oft und so promiskuitiv wie möglich kopuliert und aus diesem Grund bedeckt sie seine Eichel, sodass diese immer fähig ist Reize zu empfangen. Die Zivilisation, im Gegensatz dazu, verlangt Keuschheit, und die Eichel des Beschnittenen nimmt schnell eine lederartige Textur an, die weniger empfindlich als Haut ist. So wird die Aufmerksamkeit des Jugendlichen weniger häufig auf seinen Penis gerichtet. Ich bin überzeugt, dass die Masturbation unter den Beschnittenen weit weniger verbreitet ist. In Anbetracht dieser Überlegungen scheint das Argument unangebracht, "dass Gott am besten wisse, wie er kleine Jungen macht.“

Alan F. Guttmacher, “Should the baby be circumcised?”, Parents Magazine 16, September 1941, 26, 76-78 

Alan F. Guttmacher war ein hoch angesehener und einflussreicher New Yorker Gynäkologe. Sein Artikel wurde in der noch heute existierenden US-amerikanischen Elternzeitschrift „Parents-Magazine“ veröffentlicht. Es war das erste Mal, dass ein Artikel über die Beschneidung in einer Laienzeitschrift mit einer derart großen Leserschaft erschien. Die Vorbeugung der Masturbation war der zweite der fünf Gründe, die Guttmacher anführte, warum Eltern ihre Babys beschneiden lassen sollten:

„Die [Beschneidung] macht ein Hantieren des Penis durch die Mutter des Säuglings oder in späteren Jahren durch das Kind selbst unnötig und lenkt so die Aufmerksamkeit des Jungen nicht auf seine eigenen Genitalien. 

Die Masturbation wird als weniger wahrscheinlich angesehen.“

Morris Fishbein (ed), Modern Home Medical Adviser (New York: Doubleday, 1969)

Morris Fishbein (1889-1976) war von 1924 bis 1949 der Redakteur des Journal of the American Medical Association, genau in den Jahren, in denen sich die routinemäßige Beschneidung im amerikanischen Gesundheitssystem vollends etablierte und beinahe universell verbreitete. (1949 betrug die Beschneidungsrate in den USA bereits um die 80%, und jene Minderheit männlicher Neugeborener, die der Beschneidung noch entkamen, waren die Zuhausegeborenen bzw. Angehörigen ethnischer Minderheiten.) Auch Fishbein führte die Vorbeugung wie auch die "Korrektur" der Masturbation, welche er als  „Anomalität der sexuellen Funktion“ beschrieb, als ausreichenden Grund dafür an, kleinen Kindern die Vorhaut zu amputieren:

Sexualhygiene: Die Hygiene des Reproduktionssystems: Reinlichkeit, S. 118-19

„Ein Kind, das einer Beschneidung bedarf, wird häufig durch die Irritation der ätzende Sekrete [der Vorhaut] nervös gemacht, und wird ständig an sich [seinem Penis] herum drehen, zerren oder ziehen. Es kann auch die Sitte der Masturbation entwickeln infolge der Irritationen, die es dazu veranlassen mit seinem Penis zu hantieren.“

Sexualhygiene: Anomalitäten der sexuellen Funktion: Masturbation, S. 90 

„Häufig werden Kinder sich die Angewohnheit aneignen mit ihren Genitalien zu spielen oder daran zu ziehen. Solche Kinder –Jungen wie auch Mädchen– bedürfen womöglich einer gründlichen Untersuchung durch einen kompetenten Arzt. Sehr wahrscheinlich ist eine Beschneidung oder eine andere besondere Korrekturmaßnahme notwendig.“

Campbell’s Urology, 1970 - englischsprachiges Standard-Lehrbuch der Urologie


„Eltern erkennen die Wichtigkeit von lokaler Reinlichkeit und genitaler Hygiene bei ihren Kindern bereitwillig an und sind gewöhnlich bereit Maßnahmen zu ergreifen, welche die Masturbation verhindern können. Aus diesem Gründen wird gewöhnlich zur Beschneidung geraten.“

M.F. Campbell, "The male genital tract and the female urethra", in M.F. Campbell and J.H. Harrison (eds), Urology, 3rd edn (Philadelphia: W.B. Saunders, 1970), Vol. 2, 1836