Stell dir gerade einmal vor, dass ein einfacher, harmloser, einmaliger medizinischer Eingriff dir, deinen Lieben und allen deinen Nachbarn ein Leben lang Schutz vor einer tödlichen Epidemie geben könnte. Du würdest dich doch sofort dafür melden, oder?
Das ist genau das, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Bill & Melinda Gates Stiftung und zahllose NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und Regierungsprogramme auf dem afrikanischen Kontinent voran treiben: eine umfassende Kampagne für die männliche Beschneidung zielt darauf hin, die verheerende HIV/AIDS Epidemie einzudämmen. Der WHO zufolge, „verringert die männliche Beschneidung das Risiko, HIV von der Frau auf den Mann auf sexuellem Wege zu übertragen, um ungefähr 60%.“ Darüber hinaus:
„Medizinische Männerbeschneidung bietet einen ausgezeichneten Gegenwert für das Geld, das in sie hineingesteckt wird. Sie spart Kosten, indem sie neue HIV-Infektionen verhindert und die Zahl der Menschen verringert, die eine HIV-Behandlung benötigen. Ein einmaliger (medizinischer) Eingriff versorgt Männer mit einem lebenslangen Teilschutz gegen HIV, genauso wie gegen andere auf sexuellem Wege übertragene Infektionen.“
Dank der Lobby- und Finanzierungsanstrengungen der WHO unterwerfen Länder quer durch Afrika Tausende ihrer männlichen Bevölkerung dieser Operation. Uganda, das eine Infektionsrate von 6,5% unter den Erwachsenen besitzt, hat 2010 ein gigantisches, freiwilliges Beschneidungsprogramm in Angriff genommen. Im Juni 2012 haben zehn Abgeordnete des Parlaments von Simbabwe angekündigt, sie würden sich einer Beschneidung unterziehen, um damit der gesamten Bevölkerung ein Beispiel zu geben. Mehr als eine Million Simbabwer leben mit HIV/AIDS.
Das ist wahrlich eine wunderbare Nachricht. In der Art, wie Bill Gates und die WHO sie beschreiben, klingt die Beschneidung wie die größte Erfindung seit der Entdeckung des Penizillins. Und doch stellt sich die Frage: ist das wahr? Verringert die Beschneidung wirklich die Ansteckung mit HIV/AIDS, wirkt sie wie eine Art unsichtbares Kondom?
In der Tat, der Pro-Beschneidungs-Konsens, den die WHO in ihren Verlautbarungen vorgibt, ist weitgehend eingebildet. Medizinische Experten auf der ganzen Welt bezweifeln die Weisheit der Kampagne und manche Studien legen nahe, dass sie kontraproduktiv ist. Im Mai 2011 hat die Panos Eastern Africa NGO ermittelt, dass falsche Annahmen über den Vorgang – insbesondere die weitverbreitete Vorstellung, dass Beschneidung allein, ohne andere Vorsichtsmaßnahmen die Menschen deutlich vor HIV/AIDS beschütze – in Wirklichkeit die Ausbreitung in Uganda förderte. Im Dezember 2011, führte ein Artikel im australischen Journal of Law and Medicine schwere Fehler in drei Studien auf, die glaubten die Vorteile männlicher Beschneidung bei der Verringerung der HIV/AIDS-Ausbreitung in Afrika zu beweisen:
„Die Untersuchungen waren durch mangelhafte Ausgewogenheit, verzerrte Auswahl, unangemessene Ausblendungen, problematische Herstellung einer Zufallsordnung beeinträchtigt; Untersuchungen wurden frühzeitig mit übertriebenen Behandlungsergebnissen abgebrochen; es gab keine Untersuchung nicht-sexueller Übertragungen.“
Des Weiteren haben die Autoren entdeckt, dass...
„In der Untersuchung der ugandischen Übertragung von Mann zu Frau scheint es eine relative Zunahme um 61% bei weiblichen Partnern von beschnittenen, HIV-positiven Männern zu geben. So lange männliche Beschneidung (Geld)mittel von bekannten Vorbeugemaßnahmen abzieht und die Risikobereitschaft wächst, bleibt jeder langfristige Erfolg bei der Verringerung der HIV-Übertragung unsicher.“
Es besteht auch die Sorge, dass das Verfahren selbst die Seuche unter den Teilnehmern und ihren Sexualpartnern ausbreiten kann, wenn es nicht unter vollständig sterilen Bedingungen, mit einer qualifizierten Nachsorge einhergeht.
Ist also die Große Afrikanische Männerbeschneidungskampagne ein Segen oder Geld- und Zeitverschwendung? Um etwas Licht in ein äußerst düsteres und emotionales Thema zu bringen habe ich Dr. Ronald Goldman vom Circumcision Resource Center in Boston kontaktiert, um einige solide Antworten zu erhalten.
Dr. Goldman einige afrikanische Länder südlich der Sahara haben ein Intensivprogramm zur Beschneidung Erwachsener gestartet, das darauf abzielt, die Fälle von HIV/AIDS in ihren Bevölkerungen drastisch zu reduzieren. Ihre politischen Führer, von ausländischen Regierungen und NOGs ermutigt, haben sich offensichtlich selbst davon überzeugen lassen, dass ein beschnittener Penis gegen den (HIV-)Virus praktisch immun ist. Welche Wirkung glauben Sie wird die Massenbeschneidung von afrikanischen Männern aktuell auf die Unterdrückung der Krankheit haben?
Viele Fachleute haben die Reliabilität (Verlässlichkeit) und Validität (Aussagekraft) von Studien infrage gestellt, die behaupten, dass Beschneidung die HIV-Übertragung verringert. Afrikanische nationale Bevölkerungsbeobachtungen haben eine höhere HIV-Infektionsrate unter den beschnittenen, im Vergleich zu den unbeschnittenen Männern, gefunden. Es gibt mindestens 17 Beobachtungsstudien, die keinerlei Gewinn durch die männliche Beschneidung, bei der Verringerung von HIV-Übertragungen gefunden haben. Darum erwarte ich keine Verringerung der HIV-Übertragung. Es ist sogar möglich, dass die Fälle von HIV-Infektionen ansteigen, weil der irrtümliche Glaube an den Schutz durch Beschneidung zu einem riskanteren Sexualverhalten führt.
Besonders in den USA ist die Beschneidung lange Zeit als eine Art Wunderwaffe gegen Krankheiten und eine Vielzahl anderer Übel angesehen worden. Warum glauben so viele Gesundheitsexperten, dass diese Prozedur so ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft ist?
Gegenwärtig, glaubt nur ein relativ kleiner Teil der Gesundheitsfachleute, dass Beschneidung deutliche Gesundheitsvorteile bringt. Die meisten Ärzte nehmen eine neutrale Haltung zur Beschneidung ein und folgen damit der Empfehlung der American Academy of Pediatrics. Die AAP wird als die größte Autorität auf diesem Gebiet betrachtet, aber ihre Empfehlungen haben auch Probleme. Zum Beispiel ist ihre gegenwärtige Politik nicht ausgeglichen, weil sie den „möglichen Vorteilen“ zehnmal soviel Platz einräumt, wie den Schäden. Hinzu kommt, dass viele dieser Schäden noch gar nicht untersucht sind. Weil in den USA die psychologische Bereitschaft weit verbreitet ist, zu glauben, Beschneidung sei harmlos oder vorteilhaft.
Nachdem Beschneidung eine religiöse Pflicht für Juden und Moslems ist, sehen Sie irgendwelche religiösen Auswirkungen auf diese Politik? Beispielsweise: könnten Nicht-Muslime eine verdeckte Bekehrungskampagne durchführen, oder könnten deren Angehörige glauben, die führten „Gottes Wille“ aus?“
Ich glaube nicht. Was verdeckt ist in dieser Kampagne, ist, dass Beschneidung von Beschneidungsbefürwortern beworben wird, die persönliche, religiöse, politische und finanzielle Interessenkonflikte haben. Sie wollten einen Vorteil in der Beschneidung finden und sie haben ihn gefunden. Wie ich an anderer Stelle geschrieben habe, es gibt da eine starke Voreingenommenheit für Beschneidung von jenen, die beschnitten sind, beschnittene Söhne haben, zu Gruppen Beschnittener gehören, oder Beschneidungen durchgeführt haben.
Welche möglichen Rück- oder Nebenwirkungen erwarten Sie von dieser umfangreichen Beschneidungs-Kampagne?
Viele dieser psychologischen, sexuellen und gesellschaftlichen Effekte, die ich in meinem Buch Circumcision: The Hidden Trauma diskutiere, könnten sich in dem Maße weiter verbreiten, als die Beschneidung sich weiter verbreitet. Wir erwarten, dass obwohl Männer jetzt selbst die Beschneidung wählen können (beruhend auf der Falschinformation über die Schutzwirkung gegen HIV) diese Kampagne sich zu einer verstärkten Beschneidung von Kindern hinbewegt, die dann keine Wahl haben. Dies ist die Quelle des Traumas. Stellen Sie sich vor, gewaltsam niedergehalten zu werden, während die empfindlichsten Teile ihres Genitals abgeschnitten werden. Der Körper erinnert sich lange an dieses Trauma und das hat Langzeitfolgen. Gefühle, Einstellungen und Verhalten sind betroffen. Beispielsweise sind manche Männer wütend, weil sie beschnitten sind. Andere Männer sind aggressiv und wissen nicht warum. Diese unterdrückte Wut hat viele Auswirkungen auf deren Leben und das Leben anderer.
Kondome haben sich als weit billiger und viel effektiver als die Beschneidung erwiesen, wenn es um die Ausbreitung von HIV/AIDS geht, und sie schützen auch zuverlässig vor anderen sexuell übertragenen Krankheiten ebenso wie vor ungewollten Schwangerschaften. Warum überschwemmen die UN und die westlichen Nationen Afrika nicht mit Kondomen anstatt Männern die Vorhaut zu entfernen in einem - wie es scheint - beispiellosen Experiment mit gesellschaftlichen Strukturen.
Da gibt es viele psychologische Zusammenhänge bei den Fürsprechern der Beschneidung. Beschneidung ist traumatisch. Psychologen wissen, dass es eine Zwangsneurose gibt, das Trauma bei anderen zu wiederholen. Einige beschnittene Amerikaner haben sich in Verwaltungs- und Forschungseinrichtungen hochgearbeitet, wo sie diese Zwangsneurose ausleben und andere Einfluss nehmen können, dass andere beschnitten werden. Sie benutzen nur ihre kulturellen Überzeugungen und Werte (z.B. medizinische Studien und Autoritäten, die ;behaupten, Beschneidung bringe Vorteile usw.), um ihr Ziel zu erreichen.
Wie die meisten Menschen wissen, ist die sogenannte Frauenbeschneidung (weibliche Genitalverstümmelung FGM) eine viel radikalere Prozedur, als die männliche Art, meistens schließt sie die Entfernung der Schamlippen und der Klitoris ein. Sehen sie eine Gefahr, dass die Unterstützung von Regierung und NGOs für die männliche Beschneidung die Kampagnen gegen FGM verwässern könnten?
Ich glaube nicht. Ich möchte hervorheben, dass das Beschneiden männlicher und weiblicher Genitalien qualitativ das Gleiche sind. Das Leiden und die Gewalt beginnen mit dem ersten Schnitt.
Wenn männliche Beschneidung so schädlich ist, wie Sie behaupten, bedeutet das, dass alle Juden und Muslime, nicht berücksichtigt die zig Millionen Amerikaner, wesentlich „beschädigte Güter“ sind, wenn man sie mit ihren nicht beschnittenen Zeitgenossen vergleicht?
Was beschnittene Kulturen nicht wissen wollen ist, dass ein natürliches Körperteil, in diesem Fall der Penis, besser funktioniert als ein operiertes. Wir brauchen keine Studien um dies zu wissen. Das ist allgemein anerkannt. Wenn wir zum Beispiel einen Daumen abschneiden, dann wären die Funktion der Hand ernsthaft beeinträchtigt. Das gleiche gilt für den Penis. Die meisten beschnittenen Amerikanischer (und Ärzte) wissen nicht, was ihnen fehlt. Ausgehend von jüngeren Berichten, wird bei der Beschneidung bis zur Hälfte des erogenen Gewebes am Penis entfernt, was ungefähr 77 Quadratzentimetern beim Erwachsenen entspricht. Medizinische Studien haben gezeigt, dass die Vorhaut den Kopf des Penis schützt, sexuelle Lust verstärkt und Geschlechtsverkehr erleichtert. Das Abschneiden der Vorhaut entfernt verschiedene spezialisierte Nerven und führt zu einer Verdickung und fortschreitenden Desensibilisierung der Außenhaut der Eichel, besonders bei älteren Männern.
Der gegenwärtige afrikanische Beschneidungstrend wird großzügig von UN und WHO, ausländischen und nationalen Regierungen und einer Anzahl von NOGs finanziert. Es ist das große Geschäft für diejenigen, die eingebunden sind und Geld ist wie man sagt die Wurzel allen Übels. Wäre es zynisch von einem „Beschneidungs-Industriellen-Komplex“ zu reden, der in Afrika am Werk ist?
Sicher, Geld ist ein wichtiger Faktor. Ein afrikanischer Offizieller sagte: „Geld triumphiert über die Vorsorge.“ Ein WHO-Forscher sagte, dass Milliarden Dollars verschwendet wurden. Die Beschneidung im Brennpunkt verringert die Unterstützung effektiverer Maßnahmen.
Hat jemand außer Ihnen und einer Handvoll von Beschneidungskritikern die Politik öffentlich herausgefordert und nach Widerstand verlangt?
Es gibt viele renommierte Wissenschaftler die in ausländischen Medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht haben, weil die Gutachter für Beschneidungsartikel, die bei amerikanischen Medizinischen Zeitschriften eingereicht werden, von Beschneidungsbefürworterm sind.
Es gibt noch andere ernsthafte Probleme, die eine faire und offene Debatte erschweren. Beschneidungsbefürworter haben Zugang zu viel Geld und amerikanische Medien, die über die Beschneidungsvoreingenommenheit unserer Kultur nachdenken, routinemäßig kritische Beiträge zur Beschneidung ignorieren und ihren Blick auf die „Vorteile“ der Beschneidung richten. Journalisten vergewaltigen regelrecht ihre beruflichen Prinzipien und Pflichten, um differenziert über diese Kontroverse zu berichten.
Schließlich haben Beschneidungsbefürworter Angst die Beschneidungskritik zu erörtern. Das zeigt sich bei fachlichen Konferenzen, wo Kritikern nicht die gleichen Gelegenheiten zur Teilnahme gegeben werden. Die bevorstehende AIDS Konferenz wird eine einseitige Werbung für Beschneidung sein. Das Fehlen einer Debatte schlägt sich auch in Medien nieder. Beispielsweise haben sich zwei Beschneidungsbefürworter geweigert, mit mir in zwei Radio Talk Shows zu diskutieren.
Wenn das Beschneidungsprogramm tatsächlich fehlgeleitet ist, welchen alternativen Rat würden Sie dann den afrikanischen Regierungen geben, die nach einer praktikablen Lösung für die HIV/AIDS-Krise suchen?
Die meisten HIV-Infektionen werden in Afrika durch kontaminierte Spritzen und durch Operationen übertragen. Der Rat ist einfach: sterilisiere jedes Instrument, das an einem Körper eingesetzt wird. Kondome sind mehr als 99% wirksam, weniger verletzend, und mit den Ausgaben für eine Beschneidung in Afrika können 3000 Kondome bezahlt werden. Anders als eine Beschneidung, haben Kondome den Vorteil auch Frauen zu schützen und dabei gibt es keine Operationsrisiken und Komplikationen. Sogar Pro-Beschneidungs-Studien empfehlen Kondome zusätzlich zur Beschneidung zu gebrauchen. Mit einem Kondom bringt eine Beschneidung keinen erkennbaren zusätzlichen Schutz, auch wenn die Behauptungen der Befürworter für eine Beschneidung ohne Kondomgebrauch zutreffend wären.