„Wir sind alle bereit einen historischen Mythos zu akzeptieren, wann immer wir uns nicht auf historisches Wissen verlassen können. Wo die Geschichte fehlt, nimmt die Mythologie ihren Platz ein, und jene, die die Geschichte verachten sind unter den Hauptopfern der Mythologie.“
—Owsei Temkin (1)
Obwohl viele Falschvorstellungen des 19. Jahrhunderts über die Vorhaut zerstört wurden, seitdem Douglass Gairdner zeigte, dass die infantile Phimose keine Abnormalität ist, haben sich manche alte Ideen als beständiger erwiesen. Zu dreien dieser Falschvorstellungen gehört die Annahme, dass die rituelle oder religiöse Beschneidung als eine Hygienemaßnahme entstand, die Vorstellung, die Vorhaut sei eine Art „Jauchegrube“, und die Behauptung, dass die Beschneidung keinen Einfluss auf die Sexualität habe. Es wird nahe gelegt, dass die erste Vorstellung als ein Mythos angesehen und zurückgewiesen werden sollte, dass die zweite Vorstellung eine Reflektion religiöser Ideologie und medizinischer Falschvorstellungen ist, und dass die dritte Vorstellung mehreren Jahrhunderten medizinischer Erfahrung widerspricht und von der modernen Forschung stark in Zweifel gezogen wurde.
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Obwohl seit 1949 viele Fortschritte dabei verzeichnet wurden, die Mythen des 19. Jahrhunderts über die Vorhaut zu zerstreuen (beispielsweise die Vorstellungen, dass die infantile Phimose eine pathologische Abnormalität wäre (2), dass beschnittene Männer gegenüber Syphilis immun wären (3, 4) und dass beschnittene Jungen nicht masturbieren), haben sich andere Mythen als beständiger erwiesen. Zu diesen Mythen gehören die Vorstellung, dass die rituelle Beschneidung, wie sie von diversen Stammesvölkern praktiziert wurde, als eine Hygiene oder Gesundheitsmaßnahme entstand, besonders als eine Vorsichtsmaßnahme gegen Sand oder Staub in Wüstenumgebungen (5), die Beschreibung der Vorhaut als „Hort des Schutzes“ oder als „Jauchegrube“, und die Behauptung, dass die Entfernung der Vorhaut keinerlei Einfluss auf die Sexualität habe.
Es gibt keine Beweise dafür, dass die rituelle oder religiöse Beschneidung ursprünglich als eine Hygienemaßnahme entstand. Viele primitive Kulturen führten eine Reihe Verstümmelungspraktiken an unterschiedlichen Körperteilen durch einschließlich der Genitalien, sowohl von Jungen und Mädchen, doch die Ursprünge oder Beweggründe für dieser Praktiken liegen im Dunkeln und sind umstritten, genauso wie die Umweltbedingungen, die zu jener Zeit herrschten, als diese Praktiken entstanden. Untergegangene Gesellschaften praktizierten auch Kanibalismus, Menschenopfer, Kindstötungen, Wittwen-Beerdigungen, Füße-Abbinden und viele andere Praktiken, die heute nicht mehr toleriert werden. Es ist ein Irrglauben der marxistischen Anthropologie, dass es für traditionelle Riten eine materialistische und rationale Erklärung geben müsse; die moderne Anthropologie erkennt an, dass solche Bräuche sich aus der Glaubensstruktur oder der Kosmologie der Kulturen ableiten, aus denen sie hervorgegangen sind, und nicht notwendigerweise eine praktische Bedeutung haben. Viele widersprüchliche Theorien wurden hervorgebracht, um das Entstehen ritueller Operationen an männlichen und weiblichen Genitalien zu erklären (6-8), unter diesen seien die folgenden genannt:
Die einzige Übereinstimmung zwischen den Befürwortern der jeweiligen Theorien besteht darin, dass irgendein praktischer Zweck wie etwa die Hygiene nichts damit zu tun hatte. In der Zeit vor der aseptischen Chirurgie, war das Schneiden ins Fleisch wohl die aller unhygienischste Sache, die man hätte tun können, und brachte ein hohes Risiko für Blutungen, Infektionen und Todesfälle mit sich. Als er in den 1930gern den Irak bereiste, berichtete der englische Arzt Wildred Thesinger, dass die arabischen Jungen, die der Beschneidung unterzogen wurden…
„…manchmal Monate brauchten um sich von ihrer Operation zu erholen und in der Zwischenzeit unter starken Schmerzen litten; Ein junger Mann kam 10 Tage nach seiner Beschneidung zu mir, um sich behandeln zu lassen, und…. der Gestank drehte mir den Magen um. Sein gesamter Penis, sein Hodensack und die Innenseite seinen Oberschenkel waren ein eiterndes Durcheinander, von dem sich die Haut abschälte, und von dem der Eiter an seinen Beinen herabfloss.“(9)
Keine der Kulturen, die die Beschneidung praktizieren, haben traditionellerweise behauptet, dass dieses Ritual als eine gesundheitliche Maßnahme eingeführt wurde. Afrikanische Stämme, Juden, Muslime, und australische Aboriginies erklären es zwar auf unterschiedliche Weise, aber das göttliche Gebot, die Stammesidentifikation, soziale Rolle, familiäre Verpflichtung, Achtung vor den Vorfahren, und die Förderung der Selbstbeherrschung nehmen eine bedeutende Stellung ein (10, 11).
Erst im späten 19. Jahrhundert, als die Massen-Beschneidung aus „gesundheitlichen“ Gründen eingeführt wurde, versuchten Ärzte dem neuen Eingriff Legitimität zu verleihen, indem sie sich auf die Tradition einer weit entfernten Vergangenheit beriefen und versuchten den Ursprung der Beschneidung in Übereinstimmung mit ihrer eigenen hygienischen Agenda zu erklären (12).
Ein gewisser Dr. Davidson beschrieb es 1889 folgendermaßen:„eine Nation wie die Juden, deren Vorstellungen über der Hygiene soweit fortgeschritten waren,… übernahm die Praxis ebenso wegen ihrer beträchtlichen Vorteile für die Gesundheit wie aus der Achtung gegenüber religiösem Zeremonien“(13). Da sich Muslime zu jener Zeit weniger Achtung erfreuten, war für die viktorianischen Chirurgen der jüdische Brauch das bevorzugte Modell. Niemand behauptete damals, dass die Beschneidung, wie sie von (manchen) australischen Aboriginies praktiziert wurde, einen hygienische Hintergrund hätte, oder dass ihr Brauch, sich während ihren Initiationszeremonien Zähne auszuschlagen, eine Vorsichtsmaßnahme gegen die Unannehmlichkeit des Zahnverfalls im Erwachsenenalter wäre.
Viele der Stammeskulturen, die die männliche Beschneidung praktizieren, praktizierten auch verschiedene Formen der weiblichen Genitalverstümmelung (14, 15) aber westliche Ärzte sind heute über diese Art von Operation entsetzt und suchen erst gar nicht nach Beweisen dafür, dass sie vielleicht einen Nutzen für die Gesundheit der Frau haben könnte und behaupten auch nicht, dass sie ursprünglich als Mittel entstand, um zu verhindern, dass Sand unter die Klitorisvorhaut oder unter die Labia gelangt. Dies sah in den 1850ern und -60ern noch anders aus und sieht in jenen Kulturen, die immer noch die weibliche Beschneidung praktizieren, heute immer noch ganz anders aus. In den 1850ern und 60ern glaubten viele englische Ärzte, dass die weibliche Beschneidung ein genauso wertvolles Mittel wie die Beschneidung sei, um Nervenkrankheiten wie Epilepsie, Hysterie oder Masturbation (wie auch deren Spätfolgen) zu behandeln und zwangen diese Therapie Frauen auf, ohne sich dabei allzu sehr um deren Zustimmung zu bemühen (16, 17). Viele ägyptische und andere islamische Ärzte insistieren heute auf den hygienischen Wert der weiblichen Beschneidung als Maßnahme um sowohl organischen Krankheiten als auch sexueller Promiskuität vorzubeugen (18).
Die Vorstellung, dass die Vorhaut von Natur aus Schmutz und krankheitsfördernd sei, wurde in neuerer Zeit von mehreren Befürwortern der Routine-Beschneidungen wiederbelebt. Der Amerikaner G.N. Weiss erklärt, dass „Im Laufe der Jahrtausende der Präputialsack Mannes als eine Jauchegrube wirkte, für infektiöse Erreger, die Krankheiten übertragen“ (19), während der Australier Brian Morris sowohl diese Bemerkung als auch eine Bemerkung eines Allgemeinmediziners aus Brisbane, Terry Russels, über „pathogene Organismen, die sich im warmen, feuchten Umgebung unter der Vorhaut vermehren“. Morris fügt hinzu, dass der „Gestank“ der Vorhaut dazu führen würde, dass unbeschnittene Männer drei Mal täglich duschen müssten (20). Die Ursprünge dieser wissenschaftlich haltlosen Behauptungen liegen teilweise in der antiken judaistischen Theologie, die viele natürliche Phänomäne als –im spirituellen oder religiösen Sinne– unrein bezeichnete und teilweise im begrenzten epidemiologischen Wissen des 19. Jahrhunderts. Die bakteriologische Verursachung von Krankheiten war zu jener Zeit noch nicht vollständig verstanden, sichtbarer „Schmutz allein", so glaubte man, wäre fähig Krankheiten auszulösen (21), und weder die Anatomie noch die Funktionen der Vorhaut wurden untersucht. In den 1890ern beschrieb ein weiterer Befürworter der universellen Beschneidung, Jonathon Hutchinson (einer der renommiertesten Chirurgen Englands) die Vorhaut als einen „Nährboden für Schmutz“ (22). Modernde Forschungsarbeiten haben jedoch gezeigt, dass diese Ansichten jeder Grundlage entbehren: Die kindliche Vorhaut ist weit davon entfernt unhygienisch zu sein, sondern fördert die Reinlichkeit, indem sie als eine Art Ventil fungiert, dass den Urin abfließen lässt, während es Fremdstoffen den Eingang blockiert. Die Vorhaut schützt ferner die Eichel vor Schmutz und Hautabrieb und hält sie feucht, ähnlich wie auch das Augenlid das Auge befeuchtet. Bei Erwachsenen ist die subpräputiale Feuchtigkeit nicht nur harmlos, sondern ein vorteilhaftes Feuchtigkeitsmittel und hat womöglich antibakterielle und antifungale Eigenschaften (23-26).
Eine auffällige Auslassung vieler Abhandlungen über die Risiken und Vorteile der Beschneidung ist eine Betrachtung des Wertes der Vorhaut und damit entsprechender Nachteile, die sich daraus ergeben, wenn man gezwungen ist, ohne eine zu leben. Ein Großteil des früheren Argumentes hinsichtlich der Gesundheitsvorteile der Beschneidung beruhten auf der Annahme, dass die Vorhaut ein nutzloser Lappen Haut sei, mit der Folge dass der Verlust dieser komplexen und multifunktionellen Struktur in den bisherigen Kosten-Nutzen Analysen des Eingriffs niemals ein Faktor war. Die meisten dieser Analysen ignorierten den Wert des verlorenen Gewebes und fokussierten sich stattdessen ausschließlich auf die zusätzlichen Risiken der Operation (Blutungen, Infektionen ect.) Wenn die Vorhaut wichtige Funktionen darstellt, ändert sich die Gleichung beträchtlich, selbst wenn sie nichts mehr darstellt, als eine wünschenswerte Verzierung. Selbst wenn die Beschneidung echte gesundheitliche Vorteile mit sich brächte, müssen diese den Kosten des Verlustes eines Körperteils entgegengesetzt werden. Obwohl die meisten medizinischen Beschreibungen die Vorhaut ignorieren (5) gibt es eine große Menge medizinischer Literatur über die Signifikanz der Vorhaut, die sich von der Zeit der alten Griechen, die die Vorhaut als das schönsten Teil der männlichen Genitalien erachteten, bis zu zeitgenössischen Kanadischen und Neuseeländischen Forschern erstreckt, die die komplexe Innervation des Penis, des frenularen Deltas und des gefurchten Band identifiziert haben, wie auch ihre Bedeutung für das sexuelle Erlebnis der weiblichen Partner (27-30).
In der Graeco-Romanischen Welt, erachteten Ärzte die Vorhaut für so wichtig, dass sie sie Behandlungen zur Verlängerung jener Vorhäute entwickelten, die die Eichel nicht großzügig bedeckten. (31) In der Renaissance wurde die zentrale Rolle der Vorhaut für die männliche Sexualfunktion und das Lustempfinden beider Partner von Berengario da Carpi (32), Gabriele Falloppio (33) und William Harvey (34) gewürdigt. Im 18. Jahrhundert besagte eine Volksweisheit, dass die Vorhaut das „Beste unseres Besitzes“ sei, und eine ähnliche Haltung wurde von populären Sexhandbüchern wie Aristoteles Master-Piece (36) und von Ärzten wie Robert James (37) und John Hunter vertreten, die die Bedeutung der Vorhaut für die Bereitstellung der erforderlichen lockeren Haut bei der Erektion hervorhoben:
„Das Präputium ist ... eine Falte der Penishaut, wenn der Penis nicht erigiert ist…. durch die die Glans bedeckt und beschützt wird, wenn sie nicht benutzt werden muss, wodurch ihr Empfindungsvermögen vermutlich intensiver ist. Wenn der Penis erigiert, füllt er im allgemeinen die gesamte Haut aus, wodurch die Falte, welche die Vorhaut im nicht erigierten Zustand bildet, ausgefaltet wird und zur Bedeckung des Körpers des Penis eingesetzt wird.“ (38)
Es ist rätselhaft, dass während die heutigen Beschneidungsbefürworter Eltern versichern, die Beschneidung habe keinen Einfluss auf das sexuelle Empfinden, ihre Kollegen vor einem Jahrhundert beteuerten dass die [Beschneidung] einen enormen Einfluss darauf habe dass dies der gewichtigste Grund dafür sein, weshalb sie durchgeführt werden sollte. Im 19. Jahrhundert verstanden Chirurgen die erotische Funktion der Vorhaut sehr gut, die sie gerade deshalb abschneiden wollten, weil ihre Berührungsempfindlichkeit („Stimulierbarkeit“, so klagten sie) ein Hauptfaktor sei, der Jungs zur Masturbation veranlasste: William Acton verdammte die Vorhaut als „eine Quelle ernsthaften Unheils“ (39) und die meisten seiner Zeitgenossen waren gleicher Meinung.(40, 41) Sowohl Gegner als auch Befürworter stimmten darin überein, dass die bedeutende Rolle der Vorhaut für die sexuelle Reaktion der wichtigste Grund war, warum sie entweder in Ruhe gelassen oder entfernt werden sollte. In den USA merkte William Hammond an, dass die „Zirkumzision, wenn sie im frühen Leben durchgeführt wird, im allgemeinen die lustvollen Empfindungen des Geschlechtsverkehrs vermindert“. Sowohl er als auch Acton betrachteten die Vorhaut als notwendig für die optimale sexuelle Funktion, insbesondere im hohen Alter. Jonathan Hutchinson, ein glühender Verfechter der universellen Säuglingsbeschneidung, hielt dies für den wichtigsten Grund, warum sie entfernt werden sollte:
„Den einzigen physiologischen Vorteil, den die Vorhaut verleiht ist dass sie den Penis in einem empfänglicheren Zustand hält, für intensivere Empfindungen, wie es andernfalls der Fall wäre. Sie kann das Vergnügen des Geschlechtsverkehrs und den Drang danach erhöhen: aber dies sind Vorteile die … wir gut entbehren können. Wenn ihr Verlust zu einer erhöhten sexuellen Beherrschung führen sollte, sollte man dankbar sein dafür.“(43)
Ähnliche Kommentare wurden von den 1840ern an bis in die 1930er von dutzenden britischen und amerikanischen Ärzten gemacht. 1874 erklärte ein Autor in seinem Brief an die Lancet, den er mit „ein jüdischer Chirurg“ unterzeichnete, dass „die Entfernung der Vorhaut in einem außergewöhnlichen Maß die Empfindlichkeit der Glens Penis reduziert“ und äußerte seine Ansicht, dass es „die Absicht des Ritus war, durch eine mechanische Abstumpfung des Organs des sexuellen Triebes, die Keuschheit der Rasse so weit wie möglich zu steigern und zu fördern.“(44) Mit dieser Ansicht folgte er dem großen Jüdischen Arzt und Philosophen Maimonides, der als der Grund für die Beschneidung „das Verlangen eine Verringerung an sexuellen Verkehr und eine Schwächung des Organs herbeizuführen“ nannte. 1915 kommentierte ein Arzt in den USA auf ähnliche Weise:
„Die Zirkumzision reduziert nicht nur das Empfindungsvermögen des Penis, sondern auch die sogenannte Leidenschaft, auf die so viele verheiratete Männer so extrem stolz sind, zum Nachteil ihrer Frauen und ihres Ehelebens. Viele Jugendliche Vergewaltigungen könnten vermieden werden, auch viele Trennungen und Scheidungen, und viele unglückliche Ehen verbessert werden, wenn diese widernatürliche Leidenschaft durch eine rechtzeitige Zirkumzision beseitigt würde.“(46)
Die Formulierungsweise, die von vielen verwendet wurde, machte deutliche, dass ein Wort wie „hygienisch“ sowohl eine moralische als auch eine physische Konnotation hatte. In seinem Artikel „Die Hygiene der Beschneidung“ betonte ein weiterer Arzt den Wert der Operation zur Verringerung der Empfindlichkeit des Penis und zur Eindämmung der Masturbation (47) In seinem Buch „Sex hygiene for the male“(1912) (deutsch etwa: Sexualhygiene für den Mann) schrieb G. Frank Lydston:
„Beschneidung fördert die Reinlichkeit, beugt Krankheiten vor, und indem sie die Überempfindlichkeit der Geschlechtsteile reduziert, mindert sie die sexuelle Reizbarkeit und korrigiert somit jede etwaige Neigung zu unanständigen Manipulationen der Genitalorgane und der daraus folgenden Aneignung böser sexueller Gewohnheiten wie etwa der Masturbation.“(48)
Ein amerikanischer Arzt aus der modernen Zeit, der sich in den 1970ern beschneiden ließ, war so zufrieden mit den Resultat, dass er einen Artikel schrieb, indem er alle anderen dazu aufrief, sich auch beschneiden zu lassen, aber selbst er gestand den Verlust an sexuellem Empfinden ein:
„Die Veränderung an Empfindlichkeit beim Geschlechtsverkehr ein paar Wochen Später waren überraschend. Die scharfe lustvolle Empfindung war spürbar verringert, wie es auch der Fall ist, wenn topische Anästhetika verwendet werden, um die Ejakulation hinauszuzögern. … Die überwältigende erotische Empfindsamkeit wurde abgestumpft, und damit ein Teil der unmittelbaren lustvollen Empfindungen. Die anfängliche Erregung hat nachgelassen [Wenn vollständig erigiert ist, hat der Penis] einen glatten Schaft mit einer Kolbe-im-Zylinder-Bewegung während dem Verkehr. Die Reibung und folglich die Empfindungen sind reduziert.“49)
Es ist schwierig ein solch subjektives Erlebnis wie die sexuelle Zufriedenheit in Zahlen zu anzugeben, aber die Forschungsarbeit von Cold und Taylor lieferte die wissenschaftliche Bestätigung für die Volksweisheit des 18. Jahrhundert, dass die Vorhaut des Mannes „das Beste unseres Besitzes“ sei. Valentine hat eine interessante und gewagte Aussage macht, die die Beachtung der Ärzte und Eltern von Heute verdient. Unabhängig von den Krankheitspräventionen/Schadensrisiko-Analysen, „Wenn sie [die Vorhaut] eine Funktion hat, kann ihre routinemäßige Entfernung bei den Neugoberenen nicht gerechtfertigt werden. Vielleicht gibt es für die Vorhaut einen Grund, der ignoriert, der nicht erkannt wurde.“(50)
Ebenso wie das Erkennen der Beweggründe [für die Beschneidung] ist es wichtig sich des medizinischen Wissens zu erinnern, dass bereits angesammelt worden war, noch bevor die Masturbationsphobie des 19. Jahrhunderts und die Zirkumzisionsmanie des 20. Jahrhunderts diese in die Archive verbannte. Sich auf die traurigen Folgen des Vergessens einer von John Woodwall in den 1630ern entdeckten Kur gegen Skorbut beziehend, merkte Sir Geoffrey Keynes an, dass dies ein Beispiel dafür sei „wie einfach wichtige Daten vergessen werden können, wenn die Geschichte der Medizin nicht zurate gezogen wird“ (51). Wenn die Forscher von heute der Medizingeschichte größere Beachtung schenkten, dann würden sie sich vielleicht Irrtümer wie den Mythos über die Hygiene in der Wüste sparen, und sähen sich eher im Stande sich entschiedener dafür auszusprechen, dass Ärzte für die optimale männliche Gesundheit die Vorhaut bewahren müssen, anstatt Vorwände zu suchen um sie zerstören.
ANMERKUNG: Dieses Paper wurde ursprünglich 2002 verfasst. Eine kürzere Version wurde 2003 im Medical Journal of Australia als "Medical history and medical practice: Persistent myths about the foreskin", Medical Journal of Australia, Vol. 178, 17 February 2003 veröffenlicht.