Die klinischen Richtlinien wurden als Richtlinie für Ärzte und Gesundheitsbehörden zur Diagnose und der Behandlung von Phimose erstellt.
Die Vorhaut oder das Präputium ist ein integraler Bestandteil des männlichen Penis. Die Vorhaut ist eine einzigartige, spezialisierte Struktur mit bedeutenden immunologischen, schützenden, erogenen, und sexuellen Funktionen. Für die normale sexuelle Funktion ist der Erhalt der Vorhaut unbedingt erforderlich.[1]
Spezialisierte Nervenenden (Nervenrezeptoren) sind in der Vorhaut reichhaltig vorhanden. Diese beinhalten Meissner'sche Körperchen, und Vater-Pacini Körperchen, Merkel Zellen, und zehntausende Nervenenden.[1] Besondere Bedeutung für die Sexualität des Mannes hat der äußerste Rand der Vorhaut nahe der mukokutanen (bedeutet Haut und Schleimhaut betreffende) Grenze - das gefurchte Band. Die spezialisierte Nervenenden des gefurchten Bandes können Teil des afferenten (bedeutet zur Gesamtheit aller möglichen Wahrnehmungen erforderlichen) Gliedes des Ejakulationsreflex sein.[2] Die Entwicklung des Präputiums ist beim männlichen Neugeboren noch nicht abgeschlossen. Das Alter, ab dem sich Vorhaut von der Eichel zu lösen beginnt und die Vorhaut zurückziehbar wird, ist individuell sehr verschieden. Dafür gibt es keine Frist, und häufig wird die Vorhaut erst im späten Jugendalter vollständig zurückziehbar sein. Eine nicht zurückziehbare, aber beschwerdefreie Vorhaut beim präpubertären Kind ist keine Krankheit und bedarf keiner Behandlung.[3][4]
Bei der Geburt liegt bei fast 100 % aller Jungen eine physiologische Phimose vor.[3] Nur 4 % der 1-Jährigen, 17 % der 3-Jährigen, 27 % der 5 bis 7-Jährigen,[3][4] 44 % der 10-Jährigen, 85 % der 14-Jährigen und 95 % der 17-jährigen Jungen haben eine vollständig zurückziehbare Vorhaut.[4]
Eine nicht zurückziehbare Vorhaut in der Kindheit ist keine pathologische Phimose.[5] Ballonierung der Vorhaut bei der Miktion (Wasserlassen) ist harmlos und ein vorübergehendes Entwicklungsphänomen, das keiner Behandlung bedarf.[6]
Denfition Phimose: Nicht zurückziehbare Vorhaut
Der Begriff "Phimose" bezeichnet sowohl vorteilhafte entwicklungsphysiologische Zustände als auch behandlungsbedürftige Krankheiten. Deshalb ist eine genauere Unterscheidung erforderlich:
Definition der pathologischen (behandlungsbedürftigen) Phimose: Nicht zurückziehbare Vorhaut mit akuten Beschwerden und/oder Vernarbungen der Präputiumöffnung nach II.4.2
Definition der physiologischen (nicht behandlungsbedürftigen) Phimose: Nicht zurückziehbare Vorhaut ohne (Symptomatik) Beschwerden.
Wiederkehrende Entzündungen der Vorhaut verursacht durch vorzeitige Retraktionsversuche oder durch Reizstoffe (Seife, Chemikalien, Waschmittelrückstände in der Kleidung) führen zu narbigen Veränderungen. Ferner können frühzeitige oder gewaltsame Retraktionsversuche Einrisse (microtears) bewirken, die zu sekundären (erworbenen) narbigen Phimosen führen. Ein Lichen sclerosus et atrophicus ist vermutlich teilweise genetisch bedingt (Familienanamnese).
Frage nach: Auffälligkeiten bei der Miktion; Entzündungen; Reizmitteln (Verwendung von Seife oder ähnlichem, Verwendung von Seife und anderen Reizmitteln bei Hygienemaßnahmen, Schaumbäder), Operationen, oder Traumen der Vorhaut (durch Retraktionsversuche durch Ärzte oder Eltern)
Enger und fibrotischer (vernarbter) Ring der distalen äußeren Vorhaut (Vorhautspitze), der bei vorsichtiger Retraktion einen konisch zulaufenden Narbenring bildet. Weißliche und sklerosierende Veränderungen der distalen Vorhaut bzw. des Glansepithels sind Zeichen eines Lichen sclerosus et atrophicus.
Die normale, nicht zurückziehbare Vorhaut in der Kindheit muss als solche respektiert und in Ruhe gelassen werden. Patienten und Eltern müssen ermahnt werden die Vorhaut nicht gewaltsam oder vorzeitig zurückzuziehen, und exzessives Reinigen mit Seife zu unterlassen.
Wenn die Diagnose Phimose gestellt wurde, stehen als verfügbare Behandlungen zur Verfügung: sanftes Dehnen, topische Corticosteroide (kortisonhaltige Salbenpräparate) zusätzlich zum Dehnen, Vorhauterweiterungsplastiken (wie z.B. die "Triple Incision") und Zirkumzision. Primär sollten konservative Behandlungsmethoden versucht werden und Operationen nur als letztes Mittel erfolgen.
Wenn bei einer pathologischen (behandlungsbedürftigen) Phimose nach II.3.2 nach einer erfolglosen Salbenbehandlung mit corticosteroidhaltiger Salbe ein operativer Eingriff unvermeidbar wird, ist eine Vorhauterweiterungsplastik oder Präputioplastik genannt, aufgrund ihrer geringeren Morbidität, niedrigeren Komplikationsrate und Kosten-Nutzenbilanz, der klassischen Zirkumzision vorzuziehen. [7]
Indikationen: Siehe II.3.1 Indikationen zur Phimosetherapie
Kontraindikationen: Siehe II.3.2 Keine Indikationen zur Phimosetherapie
Bei einer symptomatischen "pathologischen Phimosen" im Sinne II.3.2. nach ist die Behandlung durch Dehnen der Vorhaut der Vorhaut unter Verwendung Corticosteroidhaltiger Salben die Therapie der Wahl.
Eine pathologische Phimose (mit Symptomatik und Sekundärkomplikationen) kann durch eine Salbenbehandlung mit einer Corticosteroid-haltigen Salbe sicher und effektiv behandelt werden.[13-20]
Die Erfolgsraten der Salbenbehandlung der pathologischen Phimose liegen zwischen 80 % und 95%
Betamethason-Salbe 0.05% sollte auf das auf das Innere wie das Äußere der Vorhautspitze 2-3 mal täglich aufgetragen werden.
Der ideale Zeitpunkt zur Durchführung der Therapie ist nach dem Duschen/Baden, weil sich die aufweichte Vorhaut, zusammen mit der Salbe, besonders gut dehnen lässt.
Keinesfalls sollten diese Dehnübungen ohne Hilfe, d. h. Salbe oder Aufweichen durchgeführt werden. Die spröde Haut kann die Bildung von für das bloße Auge nicht sichtbaren Rissen ("microtears") bewirken. Die Narbenbildung bei der Heilung dieser Risse lässt die Haut zunehmend unelastisch werden.
Die Behandlung mit Corticosteroid-haltigen Salben sollte eine maximale Behandlungsdauer von 6 (max. 8) Wochen nicht überschreiten. Ist der erstmalige Behandlungsversuch mit steroidhaltigen Salben erfolglos, sollte, bevor eine Operation in Erwägung gezogen wird, nach vierwöchiger Pause ein zweier Behandlungsversuch mit einem stärker wirksamen Corticosteroid durchgeführt werden.
Indikation:
Alle 3 der Notwendigen Bedingungen müssen erfüllt sein:
Kontraindikation:
Plastische Operationsverfahren haben bei vollständigem Erhalt der Vorhaut eine Erweiterung des Vorhautdurchmessers und eine komplette Retrahierbarkeit der Vorhaut zum Ziel.[21-26] Gleichzeitig können koinzidente Adhäsionen gelöst und ein Frenulum breve durch Frenulotomie mit Ligatur der Arteria frenularis korrigiert werden. Erweiterungsplastiken der Vorhaut beruhen auf einer oder mehreren Längsinzisionen des Schnürringes bis auf die Buck- Faszie und anschließendem transversalem Verschluss (Quervernähung).
Die modernste, und die im deutschsprachigen Raum am stärksten verbreitete Variante unter den Erweiterungsplastiken ist die sogenannte Triple Inzision. Hierbei werden 3 Längsschnitte durchgeführt und anschließend quervernäht.[25][26]
Aufgrund der durch den dreifachen Einschnitt erreichten gleichmäßigeren Verteilung der Vorhauterweiterung werden mit der Triple Inzision die optisch besten Resultate erzielt.
Dieser Eingriff ist mit einer geringeren Morbidität und einer deutlich geringeren Komplikationsrate behaftet als die Zirkumzision und ermöglicht den vollständigen Erhalt des Präputiums.[23]
Indikationen:
Kontraindikation:
Bei der Zirkumzision wird die Vorhaut entweder ganz (radikale Zirkumzision) oder teilweise (partielle Zirkumzision) entfernt.
Bei beiden Verfahren werden das dicht mit Nerven durchsetzte fordere Drittel der Vorhaut [1] einschließlich dem hoch erogenen gefurchten Band [1][26] sowie die berührungsempfindlichsten Bereiche des Penis,[27] die sich alle am distalen Ende der Vorhaut nahe des gefurchten Bandes befinden vollständig entfernt.
Beachtet werden muss ferner, dass bei der Zirkumzision im Kindesalter, das endgültige kosmetische und funktionale Resultat der Operation nicht vor dem Ende der körperlichen Entwicklung erkennbar ist.
Aufgrund des langsameren Wachstums der Vorhaut im Verhältnis zum Penisschaft kann das endgültige Operationsresultat einer partiellen Zirkumzision nach Vollendung der körperlichen Entwicklung nicht mehr von einer radikalen Zirkumzision unterscheidbar sein.
Die histologische Untersuchung des entfernten Gewebes ist bei Verdacht auf das Vorliegen eines Lichen sclerosus sinnvoll.
Wie jede Operation, ist eine Zirkumzision für das Kind sehr traumatisch. Sie ist vollständig irreversibel und sollte nur als Ultima Ratio angedacht werden.
Die Zirkumzision zerstört erogenes Gewebe, ist grundsätzlich irreversibel und sollte nur als letztes Mittel angewandt werden. Wenn eine Zirkumzision durchgeführt werden soll, müssen alle folgende Patienten Kriterien erfüllt sein. Der Patient bzw dessen Sorgeberechtigten können der Zirkumzion nur einwilligen, wenn
Zirkumzisionen sind mit einer signifikanten Komplikationsrate behaftet.
Die Rate für schwerwiegende Komplikationen während oder kurzfristig nach der Operation wird mit 2 bis 10 % angegeben.[28] In dieser Komplikationsrate nicht enthalten sind jedoch Langzeit-Komplikationen, die sich erst Jahre nach der Operation im Rahmen der körperlichen Entwicklung manifestieren.
Häufige Komplikationen der Zirkumzision sind unter anderem:
Sehr häufig treten Meatusstenosen (Verengungen der Harnröhrenöffnung) auf, die durch Meatitis (Entzündung der Harnröhrenöffnung) und/oder Meatusulzeration (Geschwürbildung an der Harnröhrenöffnung) an der ungeschützten Eichel verursacht werden. Entfernung von zu viel Haut, Verletzungen der Harnröhre, Amputationen der Eichel, Inklusionszysten wurden ebenfalls dokumentiert.[30] [33-36]
Die Paraphimose entsteht durch gewaltsames oder vorzeitiges Zurückziehen der noch nicht zurückziehbaren Vorhaut.
Die gewaltsame oder vorzeitige Retraktion der entwicklungsbedingt noch engen Vorhaut ist zu unterlassen. Die Eichel und Vorhaut distal zur engen Stelle werden ödematös und geschwollen. Der Schmerz und die Schwellung verhindern eine problemlose Reposition der Vorhaut auf ihre normale Position. Bei längerer Dauer ist eine Nekrose der Glans möglich.
Paraphimose kann gewöhnlich ohne Operation korrigiert werden:
Angemessene Analgesie ggfs. mit Sedierung sollte verabreicht werden. Ein topisches Anästhetikum (Betäubungsalbe) wie etwa 2% Lidocain Geel oder Emla-Creme (2.5% Prilocain and 2.5% Lidocain,) wird großzügig auf die betroffene Stellen aufgetragen, mit einer Klarsichtfolie verschlossen, und wird so mehrere Minuten lang bis max.1 Stunde einwirken gelassen. Eine lokale Infiltration eines Betäubungsmittels hat zu unterbleiben, da das die Schwellung verschlimmerm kann.
Die geschwollene Eichel wird zwischen Daumen und Zeigefinger ein paar Minuten lang zusammengedrückt, um die Flüssigkeit aus dem Ödem herauszupressen. Die Eichel kann dann zurückgeschoben und die Vorhaut auf ihre normale Position zurückgebracht werden.
Wenn eine manuelle Reduktion erfolglos bleibt ist die Behandlung durch eine Injektion von Hyaluronidase angezeigt. Hyaluronidase reduziert das Ödem, nachdem die Vorhaut auf ihre normale Position zurückgebracht werden kann. [37-39]
Die Hyaluronidase wird an einer oder mehreren Stellen in die ödematöse Vorhaut injiziert. Die Resolution des Ödem erfolgt beinahe unmittelbar, und die Vorhaut kann anschließend behutsam wieder nach vorne über die Eichel geschoben werden.
Indikation: Wenn die manuelle Reduktion und die Hylaronidase Therapie erfolglos bleiben, ist eine chirurgische Therapie indiziert.
Chirurgische Behandlungsoptionen beinhalten eine Nadelpunktur um die Ödemsflüssigkeit abzulassen oder eine Inzision (Längseinschnitt) des verengten Bandes der Vorhaut unter Voll-oder Lokalnarkose
Nach erfolgreicher Reduktion ist die Paraphimose keine Indikation zur Zirkumzision.
Eine Phimose, die durch die Hauterkrankung Lichen sclerosus (veraltend : Balanitis xerotica obliterans (BXO)) verursacht wurde, ist an einem weißlichen Ring von erhärteten Gewebe nahe der Vorhautspitze erkennbar.[40][42] Diese Verengung verhindert das Zurückziehen der Vorhaut.[44] Ihre Diagnose muss durch eine Biopsie bestätigt werden.[7][44] Lichen sclerosus ist heute auch ohne Operation therapierbar.[8][43]
Pathologische Phimose aufgrund von Lichen sclerosus wurde früher als absolute Indikation zur Zirkumzision betrachtet.[43] Die Zirkumzision ist jedoch kein sicheres Mittel zur Prävention von Rezividiven der Lichen sclerosus.[43] Lichen sclerosus spricht auf ultrapotente (stark-wirksame) topische Cortikosteroide [41] [44-45] und Kohlenstoffdioxid-Laserbehandlung [41] [46-50] an.
Lichen sclerosus ist eine seltene Krankheit. Die Inzidenz (Häufigkeit) von pathologischer Phimose aufgrund Lichen sclerorus wird mit 0,6% der Jungen bis zum Alter von 15 Jahren angegeben.[7] Das heißt nur 6 aus 1000 werden bis zur Vollendug des 15 Lebensjahres von einer Lichen sclerosus betroffen sein. [7] Lichen sclerosus kann bei Männern jeglichen Alters auftreten.[7] Selten tritt die Lichen sclerosus vor dem 5. Lebensjahr auf.[7]
BXO zeichnet sich durch einen Ring von weißlichen erhärteten Gewebe an der Vorhautspitze ab. Diese Verhärtung macht ein Zurückziehen der Vorhaut unmöglich.[7][41]
Eine Gewebeprobe ist für eine sichere Diagnose zwingend erforderlich.[7][42]
Eine Phimose infolge von Lichen sclerosus ist von einer normalen narbigen Phimose ohne zugrunde liegende Histopathologie zu unterscheiden. Letztere kann eine Folge vorzeitigen Retraktionen der Vorhaut und/oder rezidivierenden Balanoposthiten sein.
Falls die Biopsie BXO als Ursache der Vernarbung ausschließt, ist eine konservative Behandlung sehr wahrscheinlich erfolgreich.
Therapie der Wahl ist die Salbenbehandlung mit stark wirksamen Corticosteroiden.
Ein stark wirksames (ultrapotentes) Corticosteroid (z.B. Clobestanolprioponat) ist die Therapie der Wahl.
Es ist heute anerkannt, dass ein Behandlungsversuch mit einem topischen Corticosteroid in ausnahmslos allen Fällen von Phimose unabhängig von der Ätiologie (Krankheitsursache) einer Zirkumzision vorrausgehen sollte, und dass die Zirkumzision nur auf Fälle beschränkt bleiben sollte, bei denen diese Behandlung erfolglos blieb.[41][45]
Indikation:
Kontraindikation:
Kohlenstoffdioxidlaser (CO2) ist eine effektive operative Maßnahme gegen Lichen sclerosus.[41][46-50] Mittels dem Kohlenstoffdioxidlaser werden die Läsionen der Lichen sclerosus vaporisiert.
Ein chirurgischer Eingriff ist nur angezeigt bei schwerwiegenden Fällen von Lichen sclerosus-bedingter Phimose.
Indikation:
Kontraindikation:
07/2011
09/2013
03/2014
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Stand der letzten Aktualisierung: 03/2012
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