"Phimose" ist ein unpräziser Oberbegriff für eine Vielzahl von Zuständen, in denen die Vorhaut wenig bis nicht zurückgezogen werden kann. Dabei wird zwischen zwei verschiedenen Typen unterschieden: der physiologischen Phimose (entwicklungsbedingt normal und nicht behandlungsbedürftig) und pathologischer Phimose (krankhaft, schmerzhaft, daher behandlungsbedürftig) [1]. In der medizinischen Ausbildung wird die Vorhaut und ihre Zustände oft nur oberflächlich und klischeehaft gestreift, daher beginnt die Schwierigkeiten für manche Ärzte nun damit, eine normale physiologische Phimose von einer behandlungsbedürftigen, pathologischen Phimose zu unterscheiden [2], was gehäuft zu unnötigen, sinnwidrigen Manipulationen, Behandlungen und sogar Beschneidungen führt [3]. Sollte Ihr Arzt an Ihrem Sohn eine Phimose diagnostizieren, fragen Sie bitte genau nach, welcher Typ von Phimose damit gemeint ist und was er oder sie unter "Phimose" überhaupt versteht. Wenn Sie erleben, dass der/ die Mediziner/in bei der Beantwortung ins Stocken gerät und letztlich nur auf einem Justament-Standpunkt beharrt, weil er/ sie sich offensichtlich der zwei Phimose-Typen unzureichend bewusst ist, dann raten wir Ihnen dazu, mindestens eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen. Werden Sie sich darüber klar: Hat mein Sohn irgendwelche Probleme oder Beschwerden mit seinem Penis, oder kann er einfach nur seine Vorhaut (noch) nicht zurückziehen?
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Phimose ist normal! Alle Jungen kommen mit einer nichtzurückziehbaren Vorhaut zur Welt. Das ist KEINE angeborene Fehlbildung, die einer operativen Korrektur bedarf, sondern ein natürlicher, entwicklungsbedingter Zustand, der im Mutterleib beginnt und bis weit in die Pubertät hinein bestehen kann.
Von Geburt an ist bei Jungen die Vorhaut mit der Eichel fest verklebt und darüber hinaus ist die Vorhautöffnung verengt, sodass die Vorhaut nicht zurückgezogen werden kann oder sollte. Mit der Zeit löst sich die Verklebung zwischen Vorhaut und Eichel und die Vorhaut weitet sich, sodass sich die Vorhaut immer weiter zurückschieben lässt. Dieser Prozess verläuft von Knabe zu Knabe sehr unterschiedlich, kann aber über den ganzen Wachstumsprozess andauern. Bei manchen Jungen ist die Vorhaut schon vor der Pubertät vollständig zurückziehbar, bei anderen Jungen kann es dafür bis zum Ende der Pubertät dauern, ehe sich die Vorhaut vollständig gelöst sowie die Vorhautöffnung ausreichend geweitet hat und sich vollständig zurückziehen lässt. Diese großen Unterschiede sind normal. Es gibt kein "Alterslimit", ab dem die Vorhaut zurückziehbar sein müsste.
Gebraucht wird eine zurückziehbare Vorhaut frühestens dann, wenn ein Junge sexuell aktiv ist. Durch zu tolerierende, frühzeitige sexuelle Aktivitäten des Jungen an sich selbst weitet er seine Vorhaut auf ganz natürliche Weise und macht er sein Genital funktionsfähig. Selbst beim Geschlechtsverkehr ist eine (noch) nicht (vollständig) zurückziehbare Vorhaut kein Problem, solange der Jungendliche keine Schwierigkeiten oder Beschwerden verspürt.
Eine nicht zurückziehbare Vorhaut ist eine häufig unbegründete Sorge der Eltern, insbesondere da viele Ärzte, aber auch Elternratgeber und Babypflegebücher noch falsche Informationen über willkürlich festgesetzte "Altersgrenzen" für Voll-Zurückziehbarkeit der Vorhaut enthalten.
Pathologische Phimose, die manchmal auch Präputialstenose oder erworbene Phimose bezeichnet wird [3], betrifft weniger als 1% aller Männer [2], wird aber häufig fehldiagnostiziert. Tatsächlich aber wird Lichen sclerosus et atrophicus (LSA), der früher auch Balanitis xerotica obliterans (BXO) bezeichnet wurde, als häufige Ursache pathologischer Phimosen angesehen. Weitere Ursachen stellen Narbenbildung infolge unnötiger, gewaltsamer Retraktionen der Vorhaut dar, sowie Balanitis.
Eine pathologische Phimose macht sich an Nebensymptomen bemerkbar, wie etwa dauerhafte Schmerzen beim Wasserlassen, ein Ring aus weißlichem, erhärtetem Gewebe an der Vorhautspitze (Hinweis auf Lichen sclerosus), ständig wiederkehrende Entzündungen der Vorhaut und der Eichel ohne erkennbare äußere Ursachen.
Die Therapie der Wahl bei pathologischer Phimose ist heute eine Behandlung durch sanftes Dehnen der Vorhaut unter Verwendung glucocorticoidhaltiger Salben. Diese Therapie der pathologischen Phimose mit Glucocoorticoid-Salben hat eine Erfolgsrate von 80-90% [4-8] und ist praktisch frei von Nebenwirkungen [3-8].
In den wenigen Fällen, in denen diese Behandlung nicht zum Erfolg führt, ist eine Vorhauterweiterungsplastik, eine Operation, bei der Vorhaut geweitet wird ohne Gewebe zu entfernen, einer Beschneidung vorzuziehen. Diese modernen, vorhauterhaltenden Operationsverfahren sind mit einer geringeren Komplikationsrate, geringeren postoperativen Schmerzen und einer kurzen Abheilungszeit verbunden sind [6, 7].
Der Penis mit seiner Vorhaut entwickelt sich im Mutterleib aus dem Genitalhöcker. In der 8. Schwangerschaftswoche beginnt die Vorhaut über die Eichel (Glans) zu wachsen, bis sie diese in der 16. Schwangerschafftswoche ganz bedeckt hat. In dieser Phase teilen sich die Vorhaut und die Eichel eine gemeinsame Gewebsschicht (welche Balanopräputiale Membran/Lamina oder auch einfach Synechie genannt wird), die die Eichel mit der Vorhaut zeitweise fest miteinander verklebt.
Bei der Geburt ist die Vorhaut beinahe bei allen Jungen mit der Eichel verklebt. Darüber hinaus ist die Penisspitze deutlich verengt. Während der Junge älter wird, beginnt sich die Vorhaut langsam von selbst von der Eichel zu lösen und die Vorhautöffnung sich zu weiten. Dieser natürliche Prozess kann bis weit in die Pubertät hinein andauern.[10, 11].
Das reine Durchschnittsalter, ab dem Jungen das erste Mal ihre Vorhaut vollständig zurückziehen können, liegt bei circa 10-11 Jahren [12]. Das bedeutet, dass rund 50% der 10 bis 11-jährigen Jungen eine vollständig zurückziehbare Vorhaut haben, während die restlichen 50% ihre Vorhaut erst teilweise oder noch überhaupt nicht zurückziehen können.
WARNUNG: Ziehen Sie NIEMALS die Vorhaut ihres Sohnes gewaltsam zurück und lassen Sie auch nicht zu, dass eine andere Person seine Vorhaut zurückzieht. Gewaltsame Vorhautretraktionen sind schmerzhaft und können zu Infektionen, erworbenen pathologischen Phimosen und schlimmstenfalls zu Verwachsungen führen.
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