JAKOB ØSTER
Aus der Abteilung für Pädiatrie, Regionalkrankenhaus, Randers, Dänemark
Es gibt drei entscheidende Daten in der Geschichte, die die männliche Vorhaut betreffen: Das Jahr 1713 vor Chr., in dem Abraham, der Überlieferung nach, beschnitten wurde als Zeichen des Bundes mit Jehovah (Speert, 1953); das Jahr 43 nach Chr., als Paulus während einer religiösen Zusammenkunft in Jerusalem beschloss, dass es der wahre Weg zur Erlösung sei, die Beschneidung des Herzens und nicht die des Fleisches vorzunehmen (Hand, 1950) und das Jahr 1949 nach Chr., als Gairdner eine Forschungsarbeit veröffentlichte, die zum ersten Mal Fakten beinhaltete, welche die normale Entwicklung der Vorhaut beschrieben. Die ersten zwei Ereignisse sind von weltweiter historischer Bedeutung und haben die Situation von Millionen Individuen beeinflusst. Hingegen scheint das dritte Ereignis noch keinen solchen Eindruck hinterlassen zu haben - bis jetzt.
Viele Fakten müssen immer noch aufgeklärt werden. Was ist Smegma? Existieren Talgdrüsen?—auf der Eichel oder auf der Vorhaut (Krompecher, 1932)? Ist Smegma karzinogen [krebserregend], und, falls dies der Fall sein sollte, durch welche seiner Komponenten? Welche Rolle spielt die Hygiene des Präputialraums [= der Raum zwischen Vorhaut und Eichel] bei verschiedenen Krankheiten (Saltmacher, 1960; Kalcev, 1964)? Wie hoch ist die Inzidenz der Beschneidung in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen (Came, 1956; MacCarthy, Douglas, and Mogford, 1952; Osmond, 1953)? Warum wird Peniskrebs praktisch nie bei beschnittenen Männern beobachtet (Bletch, 1950; Clemmensen, 1965)? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen des Gebärmutterhalses und der Beschneidung der sexuellen Partner dieser Frauen? Ist die niedrige Inzidenz von Gebärmutterhalskrebs bei jüdischen Frauen die Folge genetischer Unterschiede, der Beschneidung der Männer oder genereller hygienischer Praktiken (Bleich, 1950; Boldt, 1959)? Kann die Beschneidung zu ulzeröser Meatitis [geschwürbildende Harnröhrenentzündung] führen und sekundär zu einer Verengung des Meatus urethrae externus [äußere Harnröhrenöffnung] (Berry and Gross, 1956; Morton, 1963)? Ist die mit der Beschneidung verbundene Sterblichkeitsrate, welche im Zeitraum zwischen 1942 bis 1947 jährlich etwa 16 männliche Säuglinge in England und Wales betrug, seit der Einführung moderner Anästhesie und der Prophylaxe von Infektionen und Blutungen (Speert, 1953) gefallen?
Die Entwicklung der Vorhaut beginnt, wenn der Embyro ungefähr 65 mm groß ist, und sie bedeckt die Eichel, wenn der Fötus ungefähr 100 mm groß ist (Broman, 1946; Hamilton, Boyd. and Mossman, 1952). Die innere Oberfläche der Vorhaut und die Oberfläche der Eichel haben ein gemeinsames Epithel, das sich ungefähr zum Zeitpunkt der Geburt oder später, möglicherweise sehr viel später (Deibert, 1933; Gairdner, 1949), auftrennt. Dieses gemeiname Epithel wird fälschlicherweise als Verklebung bezeichnet, und auf ähnliche Weise wird der Abtrennung die unglückliche Bezeichnung 'Lösung der Verklebung' gegeben.
Die Trennung wird verursacht durch Keratinisierung der Zellen unter dem Einfluss von Adrogen (Burrows, 1944), wahrscheinlich auf ähnliche Weise wie die Trennung der Augenlieder (Andersen, Ehlers, and Matthiessen, 1965), und stellt einen hoch komplexen biologischen Prozess dar. Wie und warum diese Trennung stattfindet, übersteigt den Umfang dieses Artikels, dessen Ziel es ist, zu untersuchen, wann diese stattfindet. Gairdner (1949) stellte fest, dass im Falle von neugeborenen Jungen nur bei 4% die Vorhaut komplett zurückgezogen werden konnte, bei 54% die Harnröhrenöffnung gerade so gesehen werden konnte, während bei 42% die Spitze der Eichel überhaupt nicht gesehen werden konnte. Im Alter von 6 Monaten konnte die Vorhaut bei 80% der Jungen immer noch nicht zurückgezogen werden, und die entsprechenden Werte für Kinder im Alter von 1, 2 und 3 Jahren betrugen 50% bzw. 20% und 10%. Gairdner fügte hinzu, dass bei 20 % von 200 Schuljungen im Alter von 5 bis 13 Jahren die Vorhaut nicht komplett zurückgezogen werden konnte.
Gairdners Material bezog sich auf eine Bevölkerung, die teilweise beschnitten war. Das Ziel dieser Studie war es, die Häufigkeit von Vorhaut-Adhäsionen [Verklebungen], Phimose und Smegma-Produktion in einer nicht vorausgewählten Gruppe dänischer Schuljungen zu untersuchen.
Als Schularzt in einer Stadt, war es die Aufgabe des Autors, eine große Anzahl von Kindern jährlich zu untersuchen. Die Vorhäute waren nicht Gegenstand des Interesses oder der Manipulation durch Ärzte oder Eltern gewesen, weil in Dänemark solch eine Tradition niemals existierte.
Das Material umfasst 9545 Beobachtungen des Zustandes der Vorhaut bei 1968 Schuljungen im Alter von 6 bis 17 Jahren, die bis zu 8 Jahre lang in jedem Jahr während der Schuljahre 1957/58 bis 1964/65 untersucht wurden. Eine kleinerer Anteil des Materials, 173 Jungen, wurde 7 Jahre lang von 1958/59 bis 1964/65 jährlich untersucht. Zu guter Letzt wurden weiterführende Beobachtungen bei 1086 Schuljungen vom letzen Jahr der Untersuchung 1964-/65 hinsichtlich der Inzidenz von Vorhaut - 'Verklebungen' durchgeführt, als Kontrollmaterial für die anderen beiden Gruppen.
Der Terminus Phimose impliziert, dass Enge verhindert, dass sich die Vorhaut durch sanfte Manipulation zurückziehen lässt. Der Terminus enge Vorhaut bedeutet, dass die Vorhaut zurückgezogen werden kann, wenn auch mit leichten Schwierigkeiten, sodass es möglich ist, festzustellen, ob Adhäsionen [Verklebungen] vorliegen, oder nicht. Die Präsenz und das Ausmaß von Vorhaut-Adhäsionen [Verklebungen]konnte selbstverständlich nur in jenen Fällen untersucht werden, in denen keine Phimose vorlag.
[Anmerkung: Øster stellt seine Informationen über "Phimose", "enge Vorhaut", und "Verklebungen" [engl. Adhesions] in separaten Tabellen dar. Es hat sich gezeigt, dass diese Darstellung für viele verwirrend ist. Man muss die Prozentangaben dieser verschiedenen Zustände zusammenaddieren, um den Gesamt-Prozentanteil der Jungen in den jeweiligen Altersgruppen zu erhalten, die noch teilweise oder komplett nicht-zurückziehbare Vorhäute haben.]
Tabelle I stellt dar, dass Phimose bei 4% aller Beobachtungen festgestellt wurde, mit einer abnehmenden Inzidenz im Laufe der Jahre, von 8% bei den 6-7-Jährigen, zu 1% bei 16-17 Jährigen. Darüber hinaus ließ sich eine "enge Vorhaut" bei 2% feststellen.
Alters- Gruppen (Jhr.) |
Anz. und % mit Phimose |
Anz. und % mit enger Vorhaut |
Anz. und % mit Smegma |
|||
Anz. | % | Anz. | % | Anz. | % | |
6-7 8-9 10-11 12-13 14-15 16-17 |
46/591 86/1374 96/1662 77/2523 34/2744 6/651 |
8 6 6 3 1 1 |
6/545 24/1288 34/1566 70/2446 33/2710 9/645 |
1 2 2 3 1 2 |
5/545 13/1288 33/1566 155/2446 225/2710 53/ 645 |
1 1 2 6 8 8 |
Gesamtwert: | 345/9454 | 4 | 176/9200 | 2 | 464/9200 | 5 |
Bei den 9200 Untersuchungen, in denen keine Phimose vorlag und in denen der Präputialsack somit untersucht werden konnte, waren bei 5% Smegma vorhanden, wobei die Inzidenz von 1% bei den 6-7 Jährigen auf 8% bei den 16-17-Jährigen zunahm. Die Produktion von Smegma scheint ab dem Alter von 12-13 Jahren an Quantität zuzunehmen. Wann immer Smegma bei einer Untersuchung festgestellt wurde, wurde der betroffene Junge angewiesen, die Vorhaut vorsichtig zurück zuziehen und den Präputialsack beim Baden zu waschen. Die obigen Werte spiegeln somit sowohl die Inzidenz von Smegma als auch die Effektivität hygienischer Maßnahmen wieder. Nichtsdestotrotz war es eindeutig, dass die Präsenz von Smegma bei 6-7- jährigen Jungen ungewöhnlich ist.
Tabelle II zeigt, dass Vorhaut-Adhäsionen [Verklebungen] bei 33% aller Schuljungen, die keine Phimose aufwiesen, vorhanden waren mit einer abnehmenden Häufigkeit von 63% bei den 6-7-Jährigen auf 3% bei den 16-17-Jährigen. Unter den 95 17-jährigen Jungen wurden überhaupt keine Vorhautverklebungen festgestellt.
Alters-Gruppen (Jhr.) | Anz. | % |
6-7 8-9 10-11 12-13 14-15 16-17 |
345/545 749/1288 745/1566 840/2446 362/2710 17/645 |
63 58 48 34 13 3 |
Gesamtwert | 3058/9200 | 33 |
Dieselben Schlussfolgerungen werden auch in der Graphik dargestellt, in der die kontinuierliche Kurve alle 9200 Beobachtungen darstellt; die gestrichelte Kurve zeigt die 1160 Beobachtungen bei den 173 Jungen, die regelmäßig jedes Jahr über einen Zeitraum von 7 Jahren untersucht wurden; und die gepunktete Kurve repräsentiert 1052 Beobachtungen für Adhäsionen bei den 1068 Schuljungen aus dem letzten Schuljahr. Die Kurven decken sich beinahe, wobei sich nur im Fall der Altersgruppe der 6-7 Jährigen eine leichte Abweichung zeigt.
Graphik - Häufigkeit der Vorhautverklebungen in verschiedenen Altersgruppen- Gesamtmaterial (9200 Beobachtungen); ;--- 173 Jungen beobachtet in einem Zeitraum von 7 Jahren (1160 Beobachtungen); 10 1964-65 (1052 Beobachtungen).
Tabelle II stellt das Ausmaß der Verklebungen dar. Die Häufigkeit ausgeprägter Adhäsionen scheint bei den jüngeren Altersgruppen größer zu sein, während bei den älteren Altersgruppen Adhäsionen von geringem Ausmaß häufig alles sind, was vorzufinden ist. Die Analyse dieses Teils der Probanden bestehend aus 173 Jungen, welche jährlich für den Zeitraum von 7 aufeinanderfolgenden Jahren untersucht wurden, zeigte, wie bereits erwähnt, eine ähnliche Abnahme der Häufigkeit von Verklebungen im Laufe der Jahre, wie sie bei allen Probanden festgestellt wurde. Wenn die 173 Jungen individuell untersucht wurden, wurde bei 11 eine Phimose, zum einen oder anderen Zeitpunkt, beobachtet, die später spontan verschwand; 9 von diesen Jungen hatten eine Phimose zu Beginn der Schulzeit, und bei 2 begann die Phimose im Alter von 10 Jahren. Bei 3 weiteren Jungen (2%) trat eine Phimose im Verlauf der Schulalters, im Alter von 10 bzw. 12 Jahren auf und war von solcher Art, dass eine Operation erforderlich war, die jeweils im Alter von 14, 11 bzw. 13 Jahren durchgeführt wurden. Somit wurde bei 14 der 1733 Jungen oder (8%) eine Phimose zum einen oder anderen Zeitpunkt während des Schullebens beobachtet. Nur bei 4 der 173 Jungen wurde die Vorhaut vor Beginn des Schulalters durch ihren Hausarzt geweitet, und bei all diesen 4 Jungen entwickelte sich die Vorhaut im Laufe des Schullebens normal , entweder wegen, oder trotz der verabreichten Behandlung. Keiner der Jungen war vor Beginn des Schulalters beschnitten worden. Bei allen Probanden war die Situation ähnlich.
Alters- Gruppen (Jhr.) |
Umfang der Verklebungen | ||||
Erstecken
sich bis zur äußeren Harnröhrenöffnung |
Ertrecken
sich bis zur Mitte der Eichel |
Umfassen
den Eichelkranz |
Einzelne Faden-artige Bänder |
Gesamtwert | |
6-7 8-9 10-11 12-13 14-15 16-17 |
43 34 21 14 5 0 |
100 207 130 128 36 2 |
107 260 269 279 112 5 |
95 248 325 418 210 10 |
324 749 745 840 362 17 |
Gesamtwert | 117 | 603 | 1032 | 1306 | 3058 |
Prozentwert | 4 | 20 | 34 | 43 |
Es zeigt sich, dass Phimose bei Schuljungen selten ist, und die Indikationen zur Operation sogar noch seltener sind, wenn die normale Entwicklung der Vorhaut geduldig abgewartet wird. Wenn diese abwartende Vorgehensweise befolgt wird, stellt sich bei der Mehrheit der Fälle die Phimose als ein physiologischer Zustand heraus, der allmählich verschwindet, während sich die Gewebe entwickeln. Es besteht jedoch ein Risiko, dass eine unphysiologische sekundäre Phimose auftritt als Folge von Versuchen, die Vorhaut zurückzuziehen, weil diese zu Gewebsschädigungen und zu Narbenbildung führen können. Es ist darauf hinzuweisen, dass jene drei erwähnten Jungen, bei denen eine Operation erforderlich war, erst nach mehreren Schuljahren eine Phimose entwickelten, was die Möglichkeit eröffnet, dass die Phimose in diesen Fällen iatrogen [= durch ärztliche Behandlungen verursacht] verursacht wurde als eine Folge der Retraktionsversuche in den vorherigen Jahren,obwohl sich der Autor bemühte vorsichtig zu sein.
Das gemeinsame Epithel der Eichel und der Vorhaut trennt sich allmählich und spontan im Verlaufe der Kindheit, ein Prozess, der bis zum 17. Lebensjahr andauern kann.
Die Rate des Abfalls der Häufigkeit von Verklebungen im Verlauf des Schullebens ist konstant, was keine Belege dafür bietet, dass die Trennung des Epithels eine Folge der Hormonproduktion in der Pubertät ist. Die Produktion von Smegma erhöht sich ab dem Alter von 12-13 Jahren, aber unsere eigentlichen Werte über das Smegma können nur von begrenzter Bedeutung sein, da die Jungen reguläre Instruktionen über Vorhauthygiene erhielten. Die Fakten, die hier präsentiert werden, stehen in vollständiger Übereinstimmung zu einem Kommentar von Sir James Spence aus Newcastle upon Tyne (1964):
'Die Anatomen haben die Form und Evolution der Vorhautöffnung nicht studiert... sie verstehen nicht, dass die Natur nicht vorsieht, dass sie gedehnt oder zurückgezogen wird... Was mit 7 Monaten wie die Öffnung einer Stecknadel aussieht, wird mit 17 Jahren ein breiter Kommunikationskanal geworden sein. Die Natur ist eine besitzergreifende Herrin, und ganz gleich welche Fehler sie auch immer bei der Struktur der weniger essentiellen Organe wie dem Hirn und dem Magen machen mag, für die sie sich nicht viel interessiert, kann man sich sicher sein, dass sie über die Genitalorgane am Besten Bescheid weiß.'
Von den 9545 Beobachtungen über den Zustand der Vorhaut bei 1968 Schuljungen im Alter von 6 bis 17 Jahren, der jährlich über einen Zeitraum von bis zu 8 Jahren untersucht wurde, wurden folgende Schlussfolgerungen gezogen:
Physiologische Phimose ist ein seltener Zustand bei Schuljungen und hat die Tendenz, sich von allein zurückzubilden, eine Operation ist nur selten indiziert. Plumpe Versuche, die Vorhaut zurückziehen, versursachen wahrscheinlich sekundäre Phimosen, die dann eine Operation erdorderlich machen.
Fehlende Ablösung der Vorhaut von der Eichel ('Verklebungen') ist häufig, aber die Trennung des Epithels erfolgt von allein und allmählich als ein normaler biologischer Prozess im Verlauf des Schullebens und ist ungefähr im Alter von 17 Jahren abgeschlossen.
Die Produktion von Smegma nimmt ab etwa dem 12-13 Lebensjahr zu. Weder dies noch die Hygiene der Vorhaut stellen irgendwelche Probleme dar, wenn die Jungen regelmäßig instruiert werden.
Erhalten am 24. August 1967.
Zitierweise: