Männliche Beschneidung : Schmerz, Trauma und Psychosexuelle Folgen

GREGORY J. BOYLE
Bond University, Australia

RONALD GOLDMAN
Circumcision Resource Center, Boston, USA

J. STEVEN SVOBODA
Attorneys for the Rights of the Child, Berkeley, USA

EPHREM FERNANDEZ
Southern Methodist University, Dallas, USA

GREGORY J. BOYLE, PhD (Melbourne & Delaware), ist Professor für Psychologie an der Bond University. Sein Forschungsgebiet umfasst psychologische, ethische, und medizinrechtliche Fragen bezüglich der Männergesundheit. URL: http://www.bond.edu.au/hss/staff/gboyle.htm.
RONALD GOLDMAN, PhD Psychologe, ist Direktor des Circumcision Resource Center, PO Box 232, Boston, Massachusetts 02133 USA. Seine Forschungsarbeit befasst sich mit den psychologischen Aspekten der Beschneidung. URL: http://www.circumcision.org/
J. STEVEN SVOBODA, MA, JD, ist Direktor von Attorneys for the Rights of the Child Sein Forschungsgebiet umfasst die rechtlichen, ethischen, und menschenrechtlichen Auswirkungen schädlicher Eingriffe, die an nichteinwilligungsfähigen Kindern aus nicht-medizinischen Gründen durchgeführt werden. URL: http://www.arclaw.org/.
EPHREM FERNANDEZ, PhD, ist außerordentlicher Professor für Psychologie an der Southern Methodist University und der Spezialfakultät für klinische Psychologie am  University of Texas Southwestern Medical Center. Sein Forschungsschwerpunkt bilden kognitiv- verhaltensbezogene Ansätze zur Behandlung chronischer Schmerzen unter besondere Berücksichtigung des emotionalen Aspekts des Schmerzes. URL: http://www2.smu.edu/psychology/faculty/fernandez.html

ANERKENNUNGEN. Die Autoren erkennen den Beitrag von George Hill, ehrenamtlicher Exekutivsekretär, Doctors Opposing Circumcision, und Bibliothekar, Circumcision Information Resource Pages URL: www.cirp.org.

INTERESSENKONFLIKTE: Keine angegeben.

ADDRESSE: Korrespondenz ist zu richten an:
G. J. BOYLE, PhD, Department of Psychology, Bond University, Gold Coast, Queensland, 4229, Australia.

Auszug

Trotz wachsender Zweifel an ihrer medizinischen Rechtfertigungen, wird die männliche Säuglingsbeschneidung weiterhin durchgeführt. Da sie gewöhnlich ohne Schmerzmittel oder Betäubung durchgeführt wird, ist die Beschneidung erkennbar schmerzhaft. Es ist wahrscheinlich, dass die Genitalbeschneidung auch körperliche, sexuelle und psychologische Auswirkungen hat. Einige Studien stellen einen Zusammenhang zwischen unfreiwilliger männlicher Beschneidung und einem breiten Spektrum an negativen Gefühlszuständen und sogar posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) fest. Einige beschnittene Männer haben ihre gegenwärtigen Gefühle in der Sprache von Missbrauch, Folter, Verstümmelung, und sexuellem Missbrauch beschrieben. Angesichts der akuten als auch der langfristen Risiken der Beschneidung und der haftungsrechtlichen Folgen, die entstehen könnten, ist es an der Zeit, dass sich Angehörige der Gesundheitsberufe  und Wissenschaftlicher das wissenschaftliche Beweismaterial zum Thema neu untersuchen, und sich an der Debatte darüber beteiligen, ob dieser chirurgische Eingriff an nichteinwilligungsfähigen Kindern zweckmäßig ist.

Schlagworte

child abuse, male circumcision, pain, sexual dysfunction, trauma


Inhalt:

 


Hintergrund zur Beschneidung

„Zirkumzision (von lateinisch circumcidere = „rings herum schneiden“) bedeutet die teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut des Penis , wodurch die normalerweise bedeckte Eichel permanent entblößt wird..." (Boyd, 1998, p. 13). Die Zirkumzision umfasst die Amputation beider Vorhautblätter, und wird häufig an männlichen Säuglingen wenige Tage nach der Geburt durchgeführt (Ritter & Denniston, 1996). Das innere Vorhautblatt enthält tausende erogener Nervenenden (Taylor, Lockwood, & Taylor, 1996; Cold & Taylor, 1999; Cold & McGrath, 1999).

Moses Maimónides (1135-1204), auch als „Rambam“ bekannt, war ein mittelalterliche Jüdischer Rabbi, Arzt und Philosoph, der unzweideutig erklärte, dass der wirkliche Zweck der Beschneidung die Reduktion des sexuellen Vergnügens ist. So erklärte Maimónides (siehe die Übersetzung von 1963, p. 609),

„Eine Verringerung des Geschlechtsverkehres und eine Schwächung des fraglichen Organs zu bewirken, sodass seine Aktivität vermindert sei und das Organ sich in einem Zustand befinde, der so ruhig wie möglich ist…

denn es besteht kein Zweifel daran, dass die Beschneidung die Fähigkeit zur sexuellen Erregung schwächt und manchmal auch das natürliche Vergnügen verringert; 

…wir wissen wie nützlich die Vorhaut für diese Gliedmaße ist. Tatsächlich wurde dieses Gebot nicht  mit dem Ziel aufgetragen, einen angeborenen Makel zu perfektionieren, sondern einen moralischen Makel. 

Der Körperliche Schmerz, der diesem Körperteil zugefügt wird, ist der wahre Zweck der Beschneidung. Keine der Körperfunktionen, die für das Überleben des Individuums notwendig sind, wird dadurch geschädigt, auch wird die Fortpflanzung nicht unmöglich gemacht aber ausschweifende Begierde und Lust, die über das hinausgeht, was unbedingt gebraucht wird, werden verringert.

Die Tatsache, dass die Beschneidung die Fähigkeit zur sexuellen Erregung schwächt und manchmal vielleicht das Vergnügen, ist unbestreitbar. Denn wenn dieses Glied bei der Geburt zum Bluten gebracht und seiner Bedeckung beraubt wurde, wird es zwangsläufig geschwächt. Die Weißen… haben ausdrücklich erklärt; Es ist schwer für eine Frau, die mit einem unbeschnittenen Mann geschlechtlichen Verkehr hatte, sich von diesem zu trennen.

Was die Beschneidung anbelangt ist meiner Meinung nach einer der Gründe dafür, der Wunsch eine Verringerung des Geschlechtsverkehres und eine Schwächung des fraglichen Organs zu bewirken, sodass seine Aktivität vermindert sei und das Organ sich in einem Zustand befinde, der so ruhig wie möglich ist. Tatsächlich wurde dieses Gebot nicht mit der Absicht aufgetragen, einen angeborenen Makel zu vervollkommnen, sondern einen moralischen Makel. Der Körperliche Schmerz, der diesem Körperteil zugefügt wird, ist der wahre Zweck der Beschneidung. Keine der Körperfunktionen, die für das Überleben des Individuums notwendig sind, wird dadurch geschädigt, auch wird die Fortpflanzung nicht unmöglich gemacht aber ausschweifende  Begierde und Lust, die über das hinausgeht, was unbedingt gebraucht wird, werden verringert.
Die Tatsache, dass die Beschneidung die Fähigkeit zur sexuellen Erregung schwächt und manchmal vielleicht das Vergnügen ist unbestreitbar. Denn wenn dieses Glied bei der Geburt zum Bluten gebracht und seiner Bedeckung beraubt wurde, ist es zwangsläufig geschwächt.“

In der englischsprachigen Welt wurde die Beschneidung im späten 19 Jahrhundert als medizinischer Eingriff eingeführt (Hodges, 1997). Vorstellungen aus der viktorianischen Ära, über die „Gefahren der Masturbation“ veranlassten einige Ärzte dazu, die Amputation der erotogenen Vorhaut als „prophylaktische Therapie“ zu bewerben, da beschnittene Jungen nicht mehr ihre Vorhaut zur Masturbation gebrauchen könnten (Moscucci, 1996). Infolge wurde die Beschneidung als ein Wundermittel gegen zahlreiche Krankheiten akzeptiert, wie etwa Epilepsie, Mangelernährung, „Störungen der Verdauungsorgane“ Chorea, Krämpfe, Hysterie und weitere psychische Störungen (Gollaher, 2000). In den nachfolgenden Jahrzehnten wurde nun, wann immer einer der angeblichen Vorteile der Beschneidung entkräftet wurde, stets ein neuer Beschneidungsvorteil nachgerückt, der dessen Platz einnahm (Hodges, 1997).

Zahlreiche nationale Ärzteorganisation haben die Studien über die therapeutischen Beweggründe zur Säuglingsbeschneidung unter chirurgischen Standardbedindungen untersucht (siehe Denniston, Hodges, & Milos, 1999, beispielsweise). Aber keine nationale Ärzteorganisation der Welt, die dieses Thema untersucht hat, empfiehlt die routinemäßige Beschneidung. (American Academy of Pediatrics, 1999; Australasian Association of Paediatric Surgeons, 1996; Australian College of Paediatrics, 1996; British Medical Association, 1996; Canadian Paediatric Society, 1996). Vor kurzem ging die American Medical Association (2000) noch einen Schritt weiter und bestätigte dass die Säuglingsbeschneidung nicht-therapeutisch ist. Es wird nun allgemein anerkannt, dass jedwede potentielle medizinische Vorteile der routinemäßigen Beschneidung von ihren Risiken und Nachteile überwogen werden.(AAP, 1999).

Obwohl ungefähr 80 bis 85% der männlichen Weltbevölkerung intakt belassen werden, sind trotzdem schätzungsweise 650 Millionen heute lebender Männer und Jungen beschnitten (Hammond, 1999). In den USA allein, werden jedes Jahr 1,2 Millionen Jungen kurz nach der Geburt beschnitten (National Center for Health Statistics, 1998). Darüber hinaus weist die sozialanthropologische Literatur über die rituelle Beschneidung in nichtwestlichen Kulturen (siehe Gollaher, 2000) daraufhin, dass die Beschneidung von Jungen während der späten Kindheit auch weit verbreitet ist.

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Einwände gegen die Beschneidung wurden schon eine Zeit lang geäußert (z. B. Wallerstein, 1980), wobei zunehmend Kritik von Seiten der Psychologen und Psychiatern geäußert wird.  (z.B., Boyle, 2000Goldman, 199719981999). Es besteht auch wachsende Sorge hinsichtlich den Fragen der rechtlichen Haftbarkeit (siehe Boyle, Svoboda, Price, & Turner, 2000Richards, 1996Smith, 1998Somerville, 2000Svoboda, Van Howe, & Dwyer, 2000Van Howe, Svoboda, Dwyer, & Price, 1999). Darüber hinaus hat Giannetti (2000) darauf hingewiesen, dass die psychosexuellen Spätfolgen der Beschneidung weit über jene hinausgehen, die in der jüngsten Grundsatzerklärung zur Beschneidung (1999) der American Academy of Pediatrics anerkannt wurden. Das vorliegende Papier behandelt vieler dieser Probleme. Die wissenschaftlichen Belege für kurzfristige als auch langfristige Folgen der Beschneidung werden dargestellt. Zu den Folgen der Beschneidung, die in diesem Paper betrachtet werden, zählen Schmerz, Probleme bei der sexuellen Funktion, sowie psychische Belastung oder Trauma.

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Schmerzen der Beschneidung

Eine der grundsätzlichen Fragen, bei der die Auffassungen über die Praktik der Beschneidung geteilt sind, ist die Präsenz und das Ausmaß von Schmerzen. Um diese Frage anzugehen, wenden wir uns dem Konzept des Schmerzes und den Belegen für die Schmerzwahrnehmung bei Säuglingen zu. Gemäß wissenschaftlicher Definition ist der Schmerz eine unangenehme Sinnesempfindung, die mit einer Gewebeschädigung verbunden ist (IASP, 1986). Es steht außer Zweifel, dass die Beschneidung feststellbare Schmerzen und identifizierbare Gewebeschädigungen verursacht, (siehe gemeinsame Erklärung der American Academy of Pediatrics und der American Pain Society (American Academy of Pediatrics, 2001). Die einzige Frage der Interpretation in gewisser Hinsicht bleibt das Verhalten des Säuglings während der Beschneidung. Wie Erwachsene, drücken Säuglinge Schmerzen auf steroptype Arten aus, einschließlich Vokalisierungen, Gesichtsausdrücken, Körperbewegungen und autonomische Aktivität. Bei einer Analyse der Vokalisierungen von 30 Neugeborenen Jungen während der Beschneidungen von unterschiedler Invasivität stellen, Porter, Miller, and Marshall (1986) fest, dass die Invasivität des Eingriffs mit der Dauer des Schreiens, starker ausgeprägten Spitzenwerte der Grundfrequenzen, reduzierten Oberfrequenzen und einer größeren Unterschiedlichkeit der Grundfrequenz positiv korreliert waren. Dieses Schreien zog sis auf den Tag nach der Beschneidung fort und wurde durch längere Stille-Perioden unterbrochen, wenn eine Betäubung verwendet wurde (Dixon, Snyder, Holve, & Bromberger, 1984). Hervorzuheben ist auch, dass erwachsene Hörer darüber übereinstimmten, dass die Dringlichkeit dieser Schreie eine Funktion der Intensität des schmerzverursachenden Reizes sind. Levine und Gordon (1982) untersuchten die verfügbare Literatur über die spektrographische Analyse, schmerzverursachter Vokalisierungen, (pain-induced vocalisations, kurz PIV) bei Säuglingen und stellten eine erstaunliche Ähnlichkeit zu den Grundmerkmalen von PIV bei Tieren fest. [D. h.  die Schmerzensschreie von Säuglingen ähnelten jenen von Tieren]

Neugeborener Junge wird beschnitten.
„Dieser Gesichtsausdruck wird als des eindeutigeste verhaltensbezogene Anzeichen für Schmerzen bei Säuglingen angesehen, und kennzeichnet sich durch eine gesenkten Stirn, zusammengepresseten Augen, eine vertiefte nasolabiale Furche, einen geöffnetem Mund und einer angespannten, gestrafften Zunge.“

Obwohl die Patienten offenkundig keine Selbstangaben machen können, konnten durch die Beobachtung der Gesichtsausdrücke von Säuglingen während der Beschneidung weitere Beweise für Schmerzen erbracht werden. Dieser Gesichtsausdruck wird als des eindeutigste verhaltensbezogene Anzeichen für Schmerzen bei Säuglingen angesehen, und kennzeichnet sich durch eine gesenkten Stirn, zusammengepresseten Augen, eine vertiefte nasolabiale Furche, einen geöffnetem Mund und einer angespannten, gestrafften Zunge. (Grunau, Johnston, & Craig, 1990). Dieser Gesichtsausdruck ist dem Gesichtsausdruck von Erwachsenen bei Schmerzen sehr ähnlich, tritt jedoch bei Säuglingen, die schmerzhaften Operationen wie Beschneidungen unterzogen werden, noch einheitlicher auf. 

Säuglinge weisen ebenfalls eine beträchtliche anatomische Erregung während schädlicher Stimulationen auf. Natürlich trifft dies allgemein auf andere Situationen wie etwa Angst oder Frustration auch zu. Aber in Kombination mit den Anzeichen des Gesichtsausdrucks und der Vokalisierungen, ist solch ein Erregungszustand sehr aufschlussreich über die Schmerzen, die der Säugling erleiden muss. Porter, Porges, und Marshall (1988) beobachteten beispielsweise, dass der Vagustonus sich während der Beschneidung signifikant verringerte, während gleichzeitig die Tonhöhe signifikant anstieg. Die weitere Entdeckung, dass der sogenannte Vagustonus vor der Beschneidung körperliche Reaktionen auf darauffolgenden Stress vorhersagt, lässt keinen Zweifel daran, dass die Beschneidung für den Säugling hochgradig schädlich ist. 

Was das motorische Verhalten anbelangt, neigen Säuglinge dazu in etwas begrenzterem Umfang als Erwachsee auf schädliche Stimuli zu reagieren (Tyler, 1988). Dies wurde gelegentlich fälschlicherweise als ein Anzeichen dafür gesehen, dass Säuglinge weniger Schmerz empfinden würden als Erwachsene. Jedoch sind die allgemeine Steifheit des Torsos und der Glieder des Säuglings ein Anzeichen für Schmerz (Johnston & Strada, 1986). Mit zunehmenden Alter und nachgeburtlicher Ausreifung des Somatosensorischen Systems, erhöht sich das motorische Reaktionsvermögen gegenüber schmerz-erzeugende Stimuli wie der Beschneidung.  

In der späten Schwangerschaft sind die Schmerzleitbahnen bereits gut entwickelt und die neurochemischen Systeme für die Schmerzübertragung sind funktionsfähig (Anand & Hickey, 1987). Viele Wissenschaftler (z.B., Field, 1995Fitzgerald, 1987) haben erklärt, dass wir nun zweifelsfrei davon ausgehen müssen, dass alle lebensfähigen Neugeborenen Schmerzen fühlen können. Schon kritischer ist die Fragen, wie Schmerzen im Säuglingsalter reguliert werden. Andrews und Fitzgerald (1997) haben die neurobiologischen Beweismaterialin zum Thema untersucht und gelangten zu dem Schluss, dass durch das relativ unausgereiften Nervensystem des Säuglings die Erregbarkeit des Rückenmarks erhöht sein kann. Folglich, scheint das System zur Regulation von Schmerzsignalen bei Säuglingen weniger entwickelt zu sein und dies kann zu einer hohen Empfindlichkeit gegenüber Schmerzen während Operationen wie der Beschneidung führen (Fitzgerald, 1998). Darüber hinaus sind kognitive Copingstrategien (Fernandez, 1986Fernandez & Turk, 1989Maiz & Fernandez, 2000) und andere Formen der absteigenden kortikalen Schmerzhemmung (= Schmerzhemmung durch das Gehirn, bspw. Ablenkung) die als Teil der Gate-Kontroll-Theorie der Schmerzempfindung betrachtet werden, (Melzack & Wall, 1965) bei Säuglingen selbsterklärend weit weniger entwickelt als bei Erwachsenen.

Exkurs: Die Gate-Control-Theorie

Nach der Gate Control Theory fungiert das Rückemark als eine Kontrollschranke, die Weiterleitung von Schmerzreißen sowohl von afferenten (zum Gehirn aufsteigenden) Nervenbahnen als auch von deszendierende (= vom Gehirn absteigenden) Nervenbahnen gehemmt werden.

Äußere und innere Schmerzreize werden von überall auf der Haut, den Muskeln, und inneren Organen  befindlichen Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) aufgenommen und werden über ein komplexes Netz aus Nervenbahnen, die aus Neuronen (=Nervenzellen) bestehen, an das Rückenmark geleitet, wo sie auf das zweite Neuron der Schmerzbahn verschaltet und weiter zur Cortex (Großhirnrinde) Cortex geleitet werden.

Bevor die Schmerzreize jedoch zur für die Schmerzwahrnehmung zuständigen Cortex weitergeleitet werden, werden sie zunächst einer Schmerzmodulation unterzogen, d.h. verstärkenden oder schwächenden Beeinflussung ausgesetzt.

Der Organismus besitzt somit ein körpereigenes Schmerzhemmsystem, das individuell und situationsbedingt mehr oder weniger stark aktiv ist. So kann, falls dieses Schmerzhemmsystem voll entwickelt ist, beispielsweise bei psychischer Erregung oder bei körperlichen Verletzungen (z. B. bei einer Beschneidung) durch den Kontrollschranken-Mechanismus die Schmerzempfindung der betroffene Person gelindert werden.

Ist dieser Kontrollschranken-Mechanismus, wie etwa bei Säuglingen nicht voll entwickelt, kann die Weiterleitung Schmerzreize ans Gehirn nur unzureichend gehemmt werden und die Schmerzempfindlichkeit ist erhöht.

 

 

Der Schmerz, den beschnittene Säuglinge augenscheinlich erleiden, und durch fehlende Copingmechanismen (=Mechanismen zur Schmerzbewältigung) noch intensiviert ist, kann weiterreichende Folgen haben. Prescott (1989) verwies auf Stresshormone, deren Auschüttung durch intensive Schmerzen ausgelöst werden und die negative Auswirkungen, die sie auf die Gehirnentwicklung die sexuelle Funktion und das Verhalten haben können. Anand und Scalzo (2000) postulierten, dass schwere Schmerzen während des Säuglingsalters die neurologischen Schaltkreise, die für die Wahrnehmung  und Erinnerung von Schmerzen verantwortlich sind, permanent und irreversibel ändern können. Hepper (1996) dokumentierte ein funktionierendes Erinnerungsvermögen vor und unmittelbar nach der Geburt. Ein negatives schmerzhaftes Ereignis in der Perinatalperiode* durch ein Vorgang des klassischen Konditionierung, kann den Säugling gegenüber Schmerzen im späteren Leben empfindlicher machen. (Chamberlain, 1989, 1995; Field, 1995; Jacobson et al., 1990).

Taddio et al. (1997) stellten fest, dass beschnittene Jungen während Routine-Impfungen vier bis sechs Monate nach der Beschneidung signifikant höhere Schmerzreaktionen zeigten als intakte Jungen, was den Forscherinnen zufolge auf eine Entsprechung einer posttraumatischen Belastungsstörung bei Säuglingen deutet. 

*Zeitraum von der 28 Schwangerschaftswoche bis zum 7. Tag nach der Geburt. 

Beschneidungstrauma 

Ein traumatisches Erlebnis wird nach dem DSM-IV definiert als die direkte Folge des Erleidens oder Beobachtens einer schweren Verletzung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit, die extreme Angst, Hilflosigkeit oder (im Falle von Kinder) Agitation hervorruft. (American Psychiatric Association, 1994).  Der signifikante Schmerz, der zuvor beschrieben wurde, stimmt mit dieser Definition überein. Darüber hinaus erfüllt die Störung (d.h., physiologische Erregtheit , ausweichendes Verhalt) die Diagnosekriterien einer akuten Belastungsstörung, wenn sie mindestens 2 Tage anhält, oder sogar die Diagnosekriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS),wenn sie länger als einen Monat andauert. Eine Beschneidung ohne Betäubung stellt einen extrem traumatisches Erlebnis im Leben eines Kindes dar.(Lander, Brady-Freyer, Metcalfe, Nazerali, & Muttit, 1997; Ramos & Boyle, 2001; Taddio, Katz, Ilersich, & Koren, 1997). Das Trauma der Genitaloperation kann langanhaltende psychologischen Auswirkungen haben. (Bigelow, 1995; Levy, 1945; Jacobson & Bygdeman, 1998; Anand & Scalzo, 2000).

„Es ist deshalb wenig überraschend, dass Posttraumatische Belastungsstörungen durch Beschneidungen im Kindesalter ausgelöst werden können, so wie sie auch durch sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigungen in der Kindheit ausgelöst werden.“

Van Howe (1996, p. 431) erklärt, „neugeborene Jungen reagieren auf die Beschneidung mit einer ausgeprägten Reduktion der Oxygenierung (Sauerstoffsättigung im Blut) während des Eingriffs, erhöhten Cortisol-Werten, verringerter Wachheit, einem erhöhten Vagustonus, und weniger Interaktionen mit ihrer Umwelt nach dem Eingriff ...“ In seinem Bericht über klinische Fälle verwies Rhinehart (1999) darauf, dass die einzige dem Säuglings verfügbare Reaktionsmöglichkeit der Schockzustand sei, bei dem das zentrale Nervensystem durch Schmerzen überwältigt wird, gefolgt von Abstumpfung (der Wahrnehmung), Lähmung und Dissoziation. Möglicherweise wird die Dissoziation des traumatischen Erlebnis vom Säuglings als psychologischer Verteidigungsmechanismus eingesetzt (Chu & Dill, 1990; Noyes, 1977; Rhinehart, 1999). Während beschrieben wurde, dass einige Babys nach der Beschneidung „ruhig“ seien, gelangte Rhinehart zu dem Schluss, dass die beobachtete Stille des Babys wahrscheinlich nur einen Zustand der Dissoziation oder des Schocks darstellt, als eine Reaktion auf den überwältigenden Schmerz. 

In Übereinstimmung mit den frühen Berichten von Anna Freud (1952), observierte McFadyen (1998) das psychologische Trauma ihres Sohnes nach dessen Beschneidung. Dieses ist manchmal so extrem, dass es die Mutter-Kind-Bindung beeinträchtigt (Marshall et al., 1982; Van Howe, 1996). Wie  Herman (1992) und Rhinehart (1999) argumentierten, ist der gemeinsame Faktor, dem das Beschneidungstrauma zugrunde liegt, eine Erfahrung der Gewalt und der Hilflosigkeit – verursacht durch andere Menschen. Solch ein Ereignis wurde in Studie an 12 türkischen Jungen beschrieben, die im späten Kindesalter beschnitten wurden. Cansever (1965, p. 328) berichtete : „Die Beschneidung wird vom Kind als ein aggressiver Angriff auf seinen Körper wahrgenommen, das es schädigte, verstümmelte und in manchen Fällen vollständig zerstörte.“ Die rituelle Beschneidung war mit einer erhöhten Aggressivität. Schwächung des Egos, psychischer Rückzug, reduzierte Funktionsfähigkeit und Adaptation*, und Albträumen vergesellschaftet, was mit der Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung im Einklang steht.      

* Als Adaptation wird in der Psychologie die Anpassung eines Individuums an seine Umwelt bezeichnet. 

Ramos and Boyle (2001) untersuchten die psychologischen Auswirkungen die mit der medizinischen und rituellen "Operation tuli" genannten Beschneidungen in den Philippinen verbunden sind. 1577 Jungen im Alter zwischen 11 und 16 Jahren (1072 Jungen wurden unter medizinischen Bedingungen beschnitten, 505 wurden rituellen Beschneidungen unterzogen) wurden untersucht, um herauszufinden ob die Genitalbeschneidung zur Entwicklung  einer Postraumatischen Belastungsstörung (PTBS) führt. Interessanterweise  schätzten Mezey and Robbins (2001) die Inzidenz von PTBS auf 1.0% bis 7.8%  in der britischen Bevölkerung, in der die Beschneidung nicht sehr verbreitet ist. Wohingegen in einer überwiegend beschnittenen Bevölkerung Ramos und Boyle unter Verwendung des PTBS-I Fragebogens (Watson et al., 1991) eine PTBS-Inzidenz von knapp 70% bei rituell beschnittenen Jungen, und 51% bei medizinisch (unter örtlicher Betäubung) beschnittenen Jungen feststellten. Langfristige Nachuntersuchungen wären notwendig um zu ermitteln, im welchem Ausmaß die PTBS über die Lebenspanne dieser beschnittenen Jungen hinweg fortbesteht.

Die Folgen eines schmerzhafter Kindheitstrauma umfassen langfristige neurophysiologische und neurochemische Gehirnveränderungen (Anand & Carr, 1989; Anand & Scalzo, 2000; Ciaranello, 1983; Taddio et al., 1997; van der Kolk & Saporta, 1991). Richards, Bernal, und Brackbill (1976) merkten an, dass sich die Beschneidung negativ auf das sich entwickelnde Hirn auswirken könne und das festgestellte "Geschlechtsunterschiede" in Wirklichkeit die Folge von Verhaltensänderungen sein könnten, die durch Beschneidungen im Säuglings- oder Kinderalter verursacht wurden.

Rhinehart (1999) schlussfolgerte in seinem Bericht über erwachsene klinische Fälle, dass ein Mann, der als Kind beschnitten wurde, eher dazu neigt in Situationen, die als Bedrohung aufgefasst werden, mit Angst, Wut und/oder Dissoziation zu reagieren. Wie bei jeder posttraumatischen Stresssituation, wird ein Ereignis, dass irgendeinem Aspekt des originalen traumatischen Erlebnis ähnlich ist, eher negative Emotionen hervorrufen, wie etwa Panikgefühle, Wut, Gewalt, oder Dissoziation.

Es ist deshalb wenig überraschend, dass Posttraumatische Belastungsstörungen durch  Beschneidungen im Kindesalter ausgelöst werden können (Goldman, 1997, 1999, Menage, 1999; Ramos & Boyle, 2001), so wie sie auch durch sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigungen in der Kindheit ausgelöst werden. (Bownes, O'Gorman, & Sayers, 1991; Deblinger, McLeer, & Henry, 1990; Duddle, 1991). Mehrere Forscher sind zu dem Schluss gelangt, dass Posttraumatische Belastungsstörungen durch Beschneidungen und/oder Beschneidungsbedingte Spätfolgen im späteren Leben verursacht werden können. Beispielsweise stellte Rhinhart (1999)  PTBS bei Männern mittleren Alters fest, die als Säuglinge beschnitten worden waren. Die Beschneidung  bringt ein Machtungleichgewicht zwischen Täter und Opfer mit sich, umfasst sowohl aggressive als auch libidinöse Elemente, und bedroht die sexuelle Integrität des Kindes durch die Amputation eines Teils der Genitalien. Einige beschnittene Männer haben ihre gegenwärtigen Gefühle in der Sprache von Missbrauch, Folter, Verstümmelung, und sexuellem Missbrauch beschrieben (Bigelow, 1995; Hammond, 1997, 1999).

Selbst wenn die psychologischen Spätfolgen nicht zu einer formalen Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung zusammenfließen, ist es möglich, dass die Beschneidung langfristige Auswirkungen auf das Leben eines Mannes haben kann, besonders bei psychologisch sensiblen Personen mit Kormobiditätsfaktoren (cf. Mezey & Robbins, 2001). Vermutlich in Reaktion auf ihre gegenwärtige Auffassung und Gefühle, haben viele beschnittene Männer, die sich dem Verlust eines ihrer hocherogenen, unersetzlichen Teils bewusst wurden, über jahrelanges psychisches Leid, Trauer, Angst, und Depressionen und ein Gefühl der persönlichen Verletzlichkeit berichten (Hammond, 1997, 1999). Die Vermeidung einer Auseinandersetzung mit dem Verlust oder die obsessive Beschäftigung damit, zusammen mit der Wut, kann für einige Männer, je nach ihrer jeweiligen Persönlichkeit, schwer zu bewältigen sein (Bigelow, 1995; Maguire, 1998; van der Kolk, 1989). Emotionale Abstumpfung, die Vermeidung des Themas Beschneidung und Wut sind mögliche psychologische Langzeitfolgen des Beschneidungtraumas. (Bigelow, 1995; Bensley & Boyle, 2001; Boyle & Bensley, 2001; Gemmell & Boyle, 2001; Goldman, 1997, 1999). In extremen Fällen kann aggressives, gewalttätiges und/oder suizidales Verhalten die Folge des Traumas sein.(Anand & Scalzo, 2000; Bradley, Oliver, & Chernick, 1998; Jacobson et al., 1987; Jacobson & Bygdeman, 1998).

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Beschneidung und Sexualität

Sigmund Freud (1920) behauptete, dass die Beschneidung eine Ersatzhandlung für die Kastration darstelle, und legte eine mögliche Zusammenhang zwischen Kastrationsängsten, Neurosen und der Beschneidung nahe. Es gibt dokumentierte Fälle von Beschneidungen, die die lebensbeeinträchtigende Kastrationsangst zur Folge hatten (Ozturk, 1973). In jüngerer Zeit beschrieben Immerman and Mackey (1998) die Beschneidung als eine gering-gradige neurologische Kastration." Sie argumentieren dass die resultierende Keratisierung der Eichel und die neurologische Atrophie [=Verkümmerung] der sexuellen Hirnschaltkreise (infolge des Rückgangs an sensorischem Input, der auf das Lustzentrum des Gehirns einwirkt) als sozialer Kontrollmechanismus dienen könnte, der den Jungen/Mann weniger sexuell erregbar und deshalb empfänglicher gegenüber gesellschaftlicher Konditionierung.

Tatsächlich wurde die Beschneidung Jahrhunderte lang als eine Strategie zur Reduktion des sexuellen Vergnügens eingesetzt (Maimónides, 1963, p. 609). Laut Saperstein (1980), der Rabbi Isaac Ben Yedaiah zitiert, wie auch den empirischen Befunden von Bensley and Boyle (2001), sowie von O'Hara und O'Hara (1999), ist der heterosexuelle Geschlechtsverkehr für beide Partner weniger befriedigend, wenn der Mann beschnitten ist. Aufgrund des durch die Beschneidung verursachten neurologischen Schadens, und der resultierenden Verringerung der sensorischen Reize (Immerman & Mackey, 1998), ist es sehr wahrscheinlich, dass die Beschneidung sexuelle Dysfunktionen wie etwa die vorzeitige Ejakulation (Ejaculatio praecox) und hierdurch auch eine Verminderung des sexuellen Vergnügens bei der Frau begünstigt. (cf. Money & Davison, 1983). Die möglichen negativen Auswirkungen auf soziale und eheliche Beziehungen (cf. Hughes, 1990) sind womöglich beträchtlich, besonders in Ländern, in denen die meisten Männer beschnitten worden sind. 

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Strukturelle Veränderung  

Zu den strukturellen Veränderungen, mit denen beschnittene Männer möglicherweise leben müssen, gehören chirurgische Komplikationen wie Hautbrücken, Peniskrümmungen infolge ungleichmäßiger Vorhautentfernungen, Scharten in der Eichel, teilweise Glansamputation, auffällige/schartige Narben, Amputationsneurome, Fisteln, schwere Schäden am Frenulum, Meatusstenosen, und exzessive Keratinisierung [= Verhornung der Eichel]. Darüber hinaus postulierten sowohl Immerman und Mackey (1998) als auch Prescott (1989) dass die Entfernung der erogenen sensorischen Nervenenden der Vorhaut im Säuglingsalter eine Atrophie (Verkümmerung) der nicht-stimulierten Neuronen im Lustzentrum des Gehirns während der entscheidenden Entwicklungsphase zur Folge hat.

Gemmell und Boyle (2001) untersuchten 162 selbst-selektierte Männer (121beschnitten; 41 intakt) und stellten fest, dass beschnittene Männer eine signifikant geringere Penisempfindlichkeit angaben als genital intakte Männer. Die Studienteilnehmer bewerteten ihren gegenwärtigen Level an Penisempfindlichkeit (auf einer Skala von 1 bis 10) verglichen mit der Penisempfindlichkeit, die sie im Alter von 18 Jahren hatten (auf eine Skala von 1 bis 10). 

Beschnittene Männer beklagten sich signifikant häufiger als genital intakte Männer über ein fortschreitenden Rückgang an Penisempfindlichkeit ihr Erwachsenenalter hindurch –vermutlich infolge der zunehmenden Keratinisierung der entblößten Glans und des inneren Vorhautrestes bei beschnittenen Männern. Gemmell und Boyle stellten ferner fest, dass ein signifikant höherer Anteil beschnittener Männer verglichen mit intakten Männer über Verbiegungen oder Krümmungen des Penis (was auch von Lawrence, 1997 dokumentiert wurde), Schmerzen an der Schafthaut/schmerzhafte Straffheit während Erektionen, und Narben/Beschädigungen des Penis. Obwohl das Frenulum als ein Bereich erhöhter erogener Empfindlichkeit identifiziert wurde, ist beim typisch beschnittenen Mann entweder gar kein Frenulum mehr vorhanden oder nur ein kleiner, stark-geschädigter Rest davon. 

Die komplexe Innervation der Vorhaut und des Frenulums wurde ausgiebig dokumentiert (Cold & McGrath, 1999; Cold & Taylor, 1999Fleiss, 1997Taylor et al., 1996), und der genital intake Mann hat tausende an Rezeptoren für leichte Berührungen, und andere hocherogene Nervenendungen –von denen viele durch die Beschneidung verloren gehen, wodurch eine Reduktion der sexuellen Empfindung bei beschnittenen Männern die zwangsläufige Folge ist. (Immerman & Mackey, 1998O'Hara & O'Hara, 1999).

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Funktionale Veränderungen

„[D]er genital intake Mann hat tausende an Rezeptoren für leichte Berührungen und andere hocherogene Nervenendungen --von denen viele durch die Beschneidung verloren gehen, was zwangsläufig eine Reduktion der sexuellen Empfindung bei beschnittenen Männern zur Folge hat.“

Die Beschneidung hat auch schwerwiegende funktionale Konsequenten. In einer Studie an beschnittenen Männer berichteten 84% der Teilnehmer über eine verschlechtere sexuelle Funktion infolge der Beschneidung (Hammond, 1997). Taylor, Lockwood, und Taylor (1996) lieferten anatomische und histologische Belege für diese Selbstangaben beschnittener Männer indem sie den irreversiblen Verlust an spezialisierter erogener Schleimhaut durch die Beschneidung dokumentierten. Weitere Schwierigkeiten, die auf die Beschneidung zurückgeführt wurden, beinhalteten Intimitätsprobleme (45%) und Sucht/Abhängigkeit-Probleme (26%). Spezifische körperliche Probleme, die berichtet wurden, umfassten Unempfindlichkeit der Eichel (55%), der Bedarf an übermäßiger Stimulation um eine Ejakulation zu ermöglichen (38%), auffällige Narben (29%), und unzureichend Restschafthaut um vollständige, spannungsfreie Erektionen zu ermöglichen (27%).

Beschnittene Männer haben auch ein erhöhtes Risiko für vorzeitige Ejakulation, oder müssen stattdessen auf langwieriges Stoßen während des Geschlechtsverkehrs zurückzugreifen  um die verbliebenen erogenen Nervenendigungen des Penis ausreichend zu stimulieren, um eine Ejakulation auszulösen (Bensley & Boyle, 2001). Sie geben ferner an, dass die unnatürliche Trockenhet ihres beschnittenen Penis den Geschlechtsverkehr schmerzhaft macht, und zu Wundreibung und/oder Hautabschürfungen führt. (Gemmell & Boyle, 2001). Damit übereinstimmend stellten O'Hara and O'Hara (1999) fest, dass weibliche Partner über signifikant größeres sexuelles Vergnügen beim Geschlechtsverkehr mit genital intakten Männern berichteten als beim Verkehr mit beschnittenen Männern. Money und Davison (1983) dokumentierten zuvor bereits den Verlust von Dehnungsrezeptoren in der Vorhaut und des Frenulums und eine damit einhergehende Verminderung der sexuellen Reaktion, wodurch die Fähigkeit des beschnittenen Mannes Erektionen zu erreichen einschränkt ist. Folglich ist die erektile Dysfunktion eine mögliche Komplikation der männlichen Beschneidung (Glover, 1929Ozkara, Asicioglu, Alici, Akkus, & Hattat, 1999Palmer & Link, 1979Stief, Thon, Djamilian, Allhoff, & Jonas, 1992Stinson, 1973).

Bensley und Boyle (2001) untersuchten Frauen und schwule Männer, die zuvor Geschlechtsverkehr sowohl mit genital intakten als auch beschnittenen Männern hatten. Bensley und Boyles Testgruppe umfasste 35 Frauen und 42 Männer. Darüber hinaus untersuchten sie 83 selbst-selektierte Männer (53 beschnitten; 30 genital intakt) die Selbstangaben hinsichtlich ihrer sexuellen und psychologischen Funktionsfähigkeit bereitstellten. Das Gesamtresultate (weibliche Partner und schwule männliche Partner zusammengenommen waren, dass beschnittene Männer erheblich weniger zufrieden mit ihrer sexuelle Funktion waren, als genital intakte Partner.

In Bensley und Boyles (2001) Studie berichteten beschnittene Männer häufiger über sexuelle Dysfunktion, wobei sie sie entweder über vorzeitige Ejakulationen (mit geringen sexuellen Empfinden), klagten und/oder über Schwierigkeiten, Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten. Ein reduziertes und ungenügendes neuronales Feedback kann dafür verantwortlich sein, dass wenige beschnittene Männer unfähig sind, den Moment kurz vor der Ejakulation zu erkennen. Vorzeitige Ejakulation wurde zuvor auf Lern- Konditionierungsfaktoren zurückgeführt. Beispielwese wenn ein männlicher Teenager in einer Umgebung aufwächst, in der sexuelles Vergnügen als „sündhaft oder schmutzig“ erachtet wird, muss er sich womöglich bei der Masturnation beeilen um nicht „auf frischer Tat ertappt zu werden“. Die vorzeigten Ejakulation würde demzufolge negativ verstärkt werden, durch das Bemühen eine negative oder strafende Konsequenzen zu vermeiden. (cf. Schwartz & Reisberg, 1991, pp. 121-122). Jedoch mehren sich heute die Erkenntnisse darüber welche Rolle die Vorhaut für die Prävention von vorzeitigen Ejakulationen spielt, indem sie beispielsweise die Corona (Eichelkranz) während des Geschlechtsverkehrs vor direkter Stimulation schützt (Halata & Munger, 1986Zwang, 1997). Alles in allem äußerten beschnittene Männer erheblich größere Unzufriedenheit über ihr Sexleben als genital intakte Männer. Dieses Resultate stimmt überein mit den Befunden von Hammond (1997, 1999), und O'Hara und O'Hara (1999), denen zufolge die Beschneidung die psychosexuelle und emotionale Intimität zwischen Partnern behindern kann.

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Verändertes Sexualverhalten 

Neben der Reduktion des sexuellen Empfindens und Vergnügens (Bensley & Boyle, 2001Gemmell & Boyle, 2001Immerman & Mackey, 1998Milos & Macris, 1994Money & Davison, 1983O'Hara & O'Hara, 1999), führt die Beschneidung auch zu Veränderungen im Sexualverhalten. Beispielsweise stellten Laumann, Masi, and Zuckerman (1997) fest, dass die Beschneidung mit aufwändigeren sexuellen Verhaltensweisen vergesellschaftet ist. Es ist möglich, dass das verminderte Empfindungsvermögen manche beschnittene Männer dazu antreibt, aufwändigere Sexualpraktiken zu betreiben um sexuelle Befriedigung zu erlangen. Hinsichtlich unsicherer Sexualpraktiken fanden Bensley und Boyle (2001) heraus, dass beschnittene Männer signifikant häufiger keine Kondome gebrauchten als genital intakte Männer. Es ist anzunehmen, dass der Kondomgebrauch das sexuelle Empfinden weiter reduziert, was beschnittenen Männern etwas größere Bedenken gegenüber dem Gebrauch von Kondomen geben kann als intakten Männern. (cf. Gemmell & Boyle, 2001Van Howe, 1999).

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Andere psychologische Betrachtungen bei beschnittenen Männern 

In Gemmell und Boyle's (2001) Studie, wirkte sich die unfreiwillige Beschneidung auf mehrere psychologische Messwerte negativ aus. So stellten sie fest dass – im Vergleich mit genital intakten Männern - beschnittene Männer die häufiger unzufrieden mit ihrem Zustand waren, signifikante Wut, Traurigkeit empfanden und sich unvollständig, betrogen, verletzt, frustriert anormal und missbraucht fühlten (cf. Hammond, 1999). Sie stellten ferne fest, dass beschnittene Männer über ein geringeres Selbstbewusstsein berichteten als genital intakte Testpersonen.

Rhinehart (1999) erklärte, dass psychologische Probleme beinahe bei allen seinen selbst-selektierten beschnittenen Studienteilnehmern  beobachtet wurden. Diese Probleme umfassten Berichte über ein Gefühl der persönlichen Machtlosigkeit, Ängste überwältigt und viktimisiert zu werden, fehlendes Vertrauen, ein Gefühl der Verwundbarkeit gegenüber gewaltsamen Übergriffen, Reserviertheit in Beziehung, Widerwille Beziehungen mit Frauen einzugehen, geringes Selbstwertgefühl, das Gefühl geschädigt worden zu sein, das Gefühl verringerter Penisgröße, Scham darüber „nicht mithalten“ zu können, Wut und Gewalt gegenüber Frauen, irrationale Wutreaktionen, Suchtveralten und Abhängigkeiten, Schwierigkeiten intime Beziehungen aufzubauen, emotionale Abstumpfung, das Bedürfnis nach intensivieren sexuellen Erfahrungen, sexuelle Gefühllosigkeit, verringerte Zärtlichkeit in der Intimität, sowie Gefühle nicht verstanden zu sein.

Hammonds (1997) Testgruppe aus beschnittenen Männer berichtete über seelischen Schaden (83%), körperlichen Schaden (82%), allgemeinen psychologischen Schaden (75%), und geringe Selbstachtung (74%). Die beschnittenen Männer gaben ferner häufig an, sie fühlten sich verstümmelt (62%), unvollständig (61%), wütend (60%), abnormal/unnatürlich (60%), in ihren Menschenrechten verletzt (60%), verärgert (54%), frustriert (53%), missbraucht (50%), minderwertig gegenüber genital intakten Männer (47%), sexuell beeinträchtigt (43%), betrogen durch die eigenen Eltern (34%). Auch eine weitere Studie von Hammond (1999) mit 546 männlichen Teilnehmern gelangte zu ähnlichen Ergebnissen.

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Anekdotische Berichte beschneidungsbedingter psychologischer Probleme

Beschnittene Männer haben häufig anekdotische Berichte hinsichtlich ihrer negativen Gefühle über die unfreiwillige Beschneidung bereitgestellt. Beispielsweise berichtet ein Mann, der einen der Autoren (RG) am Circumcision Resource Center in Boston  kontaktierte, über ein unauslösliches Erlebnis im Alter von 4 Jahren. Er unterhielt sich mit einem genital intakten jungen, der ihm seinen Penis zeigte und im erklärte was eine Beschneidung ist. Er war schockiert und beschämt darüber, was ihm angetan wurde und dachte, „Warum würde jemand mir das antun wollen? Sie schnitten es einfach ab. Es ergab nicht den geringsten Sinn für mich.“ Als Erwachsener denkt er nun daran „jedes mal, wenn Ich mich dusche oder uriniere.“ (Persönliche Mitteilung, Dezember, 1993).

Ein weiteres Beispiel für eine Entdeckung des Unterschieds zwischen dem genital intakten Zustand und dem beschnittenen, ist der folgende retrospektive anekdotische Bericht, der dem gleichen Autor(RG) erzählt wurde:

Der Schock und die Überraschung meines Lebens kam als ich in der Junior High-school war, und ich nach dem Sportunterricht duschte... Ich frage mich, was mit diesen Penisse nicht stimmte, die anders aussahen als meiner… Ich begriff bald, dass bei mir ein Teil entfernt worden war. Ich fühlte mich unvollständig und frustriert, als mir klar wurde, dass ich niemals so sein könnte, wie ich war, als ich geboren wurde –intakt. Diese Frustration habe ich bis zum heutigen Tag. Mein gesamtes Leben hindurch habe ich es bedauert, dass ich beschnitten worden bin. Jeden Tag wünsche ich mir, ich wäre ganz. (persönliche Kommunikation, Oktober, 1992).

Einen ähnlichen Bericht schrieb ein australischer Mann vor kurzem an einen weiteren Autor (GB) an der Bond University:

Ich bin durch meine Minderwertigkeitsgefühl und fehlendes Durchsetzungsvermögen Arbeits- und Sozialeben so sehr beeinträchtigt, dass ich vor kurzen wegen einer chronischen Angst/Wut Störung in Erwerbsunfähigkeitsrente gehen musste. Mein lebenslanges psychologisches Leid wegen meiner Beschneidung hat definitiv stark dazu beigetragen, mich zu diesem Muster der menschlichen Interaktion hinzulenken. Ich habe keine freien finanziellen Mittel um im Alleingang rechtliche Schritte zu unternehmen, und keine lebende Person, die ich wegen meines miserablen Lebensqualität verklagen könnte, aber wenn jemals eine Gemeinschaftsklage auf Schadensersatz wegen Beschneidung erhoben werden soll, würde ich der Klage gerne meinen Namen beifügen. (persönliche Kommunikation, April, 2001).

Viele ähnliche anekdotische Berichte von beschnittenen Männern, die über psychologisches Leid berichten, das sie auf ihre unfreiwillige Beschneidung zurückführen, wurden dokumentiert, so beispielsweise von Bigelow (1995) und Goldman (1997).

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Methodologische Einschränkungen

Sampling

Eine Begrenzung eines Teils der vorausgehenden Forschungsarbeiten, ist, dass die Rekrutierung der Studienteilnehmer nicht immer durch eine Zufallsstichprobe erfolgte (z.B., Rhinehart, 1999Hammond, 1997, 1999). Aufgrund der Schwierigkeiten die notwendigen Stichprobengrößen zu erreichen und der Tatsache, dass sich die Studienteilnehmer manchmal auf bestimmte „Gefangenengruppen“ begrenzten, mag dies verständlich sein. Jedenfalls ist das Ergebnis, dass möglicherweise ein Selbst-Selektion-Bias vorliegen kann wie er in der Umfragenforschung weithin beobachtet wird. Dies könnte durchaus zur einer Aufblähung mancher statistischer Effekte beschneidungsbedingter Spätfolgen geführt haben.

Unterschätzung

Umgekehrt ist es möglich, dass Probleme in Zusammenhang mit der Beschneidung weiter verbreitet sind, als berichtet wird. Die folgenden Spekulationen können erklären, warum wir nicht mehr von beschnittenen Männern über ihre wirklichen Gefühle erfahren. (siehe Goldman, 1998, pp. 43-44):

  1. Der Druck, soziokulturelle Auffassungen bezüglich der Beschneidung zu akzeptieren, kann einige Männer davon abhalten, sich ihre Unzufriedenheit einzugestehen und wahrzunehmen. Beispielweise bekommen Männer in der Kindheit erzählt, dass diese Beschneidung aus gesundheitlichen Gründen notwendig gewesen sei, und zweifeln diese Behauptung nicht an. In Ländern, in denen die Beschneidung weit verbreitet ist, können ihre Auswirkungen gewöhnlich werden, und es ist möglich, dass diese Auswirkungen dann als "normal" interpretiert werden (Bigelow, 1995; Goldman, 1997).
  2. Verbale Äußerung präverbaler Gefühle erfordert bewusste Kenntnis. Weil präverbale Traumata generell unbewusst sind, werden solche Gefühle nonverbal durch verhaltensbezogene, emotionale und körperliche Formen ausgedrückt (Chamberlain, 1989Terr, 1988, 1991van der Kolk, 1989).
  3. Jedwede mit der Beschneidung assoziierte negative Emotionen, die in die bewusste Psyche hervortreten, können sehr intensiv und sehr verstörend sein. Die Repression solcher Emotionen kann dazu dienen, Männer vor möglichem psychischen Leid zu bewahren. Dies kann verstärkt werden durch die Angst vor Zurückweisung und Verächtlichmachung der eigenen Gefühle. wenn negative Gedanken und/oder Gefühle kurzzeitig bewusst werden, werden sie sehr wahrscheinlich unterdrückt.
  4. Die Privatheit die sexuelle Themen umgibt, hält Männer möglicher Weise davon ab, sich auszusprechen. 

Die nonverbal Äußerung, mangelndes Bewusstsein und Kenntnis über die möglichen psychosexuellen Folgen der Beschneidung, emotionale Repression, und die Angst vor der Offenlegung der eigenen Gefühle können dazu beitragen, dass Gefühle bezüglich der Beschneidung im Verborgenen bleiben. Es ist denkbar, dass die Auswirkungen eines Beschneidungstraumas chronisch werden können und sich in der unterbewussten Psyche tief verwurzeln, sodass es schwierig wird, sie von Charaktereigenschaften oder [psychischen] Auswirkungen anderer Ursachen zu unterscheiden. In jedem Fall sind mehr Forschungsarbeiten notwendig, um die bewussten und unbewussten psychologischen Auswirkungen der Beschneidung bei Männern zu behandeln.

Kognitive Dissonanz

Obwohl in den letzten Jahren die kognitive Dissonanz etwas in Miskredit geraten ist (Walker, Burnham, & Borland, 1994, p. 535), kann die Theorie dennoch hilfreich sein um bestimmte eingefahrene Einstellungen hinsichtlich der Beschneidung zu erklären. Die verbreitete Abwehrhaltung seitens mancher Eltern und Ärzten gegenüber Informationen, die auf schädliche Auswirkungen der Beschneidung hindeuten, regen zu Spekulationen über mögliche  Erklärungen für dieses Verhalten an. Im allgemeinen streben Menschen nach Stimmigkeit und Widerspruchsfreiheit zwischen ihren Meinungen und Erfahrungen. [=kognitive Balance], und es ist möglich, dass dieser Faktor in gewissen Umfang dazu beiträgt, dass beschneidungsbefürwortende Kognitionen [Meinungen] aufrecht erhalten werden. Wenn es zu einer Unstimmigkeit zwischen Ansichten und der gemachten Erfahrung kommt, wodurch kognitive Dissonanz erzeugt wird, passen Leute unter Umständen  ihre Ansichten so an, dass sie zu ihrer Erfahrung passten (Festinger & Carlsmith, 1959). Sich dazu entscheiden die elterliche Zustimmung einzuholen oder zu erteilen und dann eine Beschneidung durchzuführen oder die Beschneidung des eigenen Kindes zu erlauben, ist eine schwere und irreversible Entscheidung. Gemäß der Theorie der Kognitiven Dissonanz ist zu erwarten, dass wenn die Entscheidung einmal gemacht und die Beschneidung durchgeführt wurde, die meisten Leute dazu neigen würden, die gewählte Option (Beschneidung) hoch zu bewerten und die angewiesene Option (das Kind genital intakt zu belassen) abzuwerten –(cf. Brehm, 1956).

Folglich können Ansichten angenommen werden, die der eigenen Entscheidung zur Beschneidung entsprechen. Ein Beispiel für diese Ansichten, die psychologische Abwehrmechanismen der Ableugnung und Rationalisierung miteinschließen, ist der Mythos, dass Neugeborene keine Schmerzen fühlen oder sich an diese nicht erinnern könnten. Obwohl Studien eine lang anhaltende Erinnerung des Beschneidungschmerzes nachweisen, besonders wenn die Beschneidung im Kindheitsalter durchgeführt wurde (Chamberlain, 1989Hepper, 1996Rhinehart, 1999), können einige Ärzte, die normale gesunde Jungen beschneiden, diese Informationen einfach ignorieren (Stang & Snellman, 1998). Eine kleiner Anteil Ärzte wird weiterhin diese Operation vornehmen, weil sich ihre Ansichten auf fehlende Informationen stützen. Andere Ärzte, infolge psychologischer Abwehrmechanismen können wahrnehmungslos gegenüber den mit der Beschneidung verbundenen Schmerzen ihrer kindlichen Patienten sein, –vielleicht infolge des Umstands, dass sie selbst beschnitten sind.

Unstimmigkeiten können auch dadurch aufgelöst werden, indem wir unsere Ansichten ändern Eine weit verbreitete falsche Vorstellung ist, dass die Beschneidung keine nützliche Funktion habe. Ein Beschneidungsbefürworter erklärte, „Ich glaube, dass die Vorhaut ein Fehler der Natur ist“ (Wiswell, 1994). Wir können aber auch nur erst Informationen wahrnehmen und akzeptieren, die mit unseren Ansichten übereinstimmen. Einige Ärzte, die die Beschneidung befürworten, weisen neue Informationen, die ihrer vorgefassten Meinung über die Beschneidung widersprechen, gerade heraus zurück (Briggs, 1985). Die Tendenz zur Meidung neuer Informationen nimmt in dem Maße zu, wie die Diskrepanz zwischen Meinung und [wahrgenommener] Erfahrung sich vergrößert (Kumpf & Gotz-Marchand, 1973). Selbst nachdem sie etwas neues gelernt haben, erinneren sich Leute besser an Informationen, die ihre bereits etablierten Meinungen unterstützen als Informationen, die diesen widersprechen (O'Sullivan & Durso, 1984). Die Meidung neuer Information über die möglichen psychosexuellen Auswirkungen der Beschneidung kann zur einer Starre im Denken und einer Abhängigkeit von zuvor erworbenen Dogmen und kulturellen Mythen führen, die Zweifel bekämpfen und lindern, und dadurch das kognitive Harmonie aufrechterhalten. Wie Bigelow (1995, pp. 105-106) erklärte. „Dieser Effekt ist sehr deutlich erkennbar bei Eltern, die sich dazu entschlossen haben ihren Sohn zu beschneiden--besonders weil sie ihre Wahl nicht rückgängig machen können! Diese Eltern mögen häufig nichts negatives über die Säuglingsbeschneidung hören....“

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Richtungen in die Zukunft

Vorhautrestoration

Wenn die unfreiwillige Beschneidung durch das Nachwirken des Traumas psychologische Konsequenzen zur Folge haben kann, dann ist es möglich, dass die "Unzirkumzision" (Schultheiss, Truss, Stief, & Jonas, 1998) diese Auswirkungen etwas abmindern kann. In letzen Jahren wuchs bei beschnittenen Männern das Bewusstsein über die Möglichkeit der Wiederherstellung einer Vorhaut. (wenn auch einer ohne die amputierten erogenen Nervenendigungen, durch Dehnung angeregte Hauterweiterung im laufe mehrere Jahre (Bigelow, 1995). Einige Männer, die sich einer Vorhautrestoration unterzogen haben, berichteten über einer wahrnehmbare Wiederherstellung ihre sexuellen Empfindung und Funktion, die durch die Beschneidung verloren gingen, und manchmal über einer Linderung mit der Beschneidung assoziierter negative Emotionen (Goodwin, 1990Greer, Mohl, & Sheley, 1982Griffiths, 2001O'Hara & O'Hara, 2001).

Mohl, Adams, Greer, und Sheley (1981) ließen unerwähnt, dass einige der Hauptgründe, warum beschnittene Männer sich genital restorieren, der entscheidende Verlust der Funktion der Vorhaut während der sexuellen Aktivität ist. Stattdessen behaupteten sie, dass die Männer, die eine Vorhautrestoration anstrebten, homosexuell orientiert wären und an Psychopathologien einschließlich eines nazistischen und exhibitionistischen Körperbilds, Depression, mangelhafte frühe mütterliche Zuwendung, und Egozentrismus leiden würden. Doch diese Schlussfolgerung basierte auf einer nicht repräsentativen Testgruppe von nur 18 Männern. Diese 20 Jahre alten Resultate sind durch eine Analyse beeinträchtigt, die auf nach heutigen Maßstäben veralteten therapeutischen und diskriminierenden gesellschaftlichen Vorurteilen gegenüber homosexuellen Personen beruht. Bigelow (1995), und Griffiths (2001) berichteten, dass die meisten Männer, die sich einer Vorhautrestoration unterziehen, in Wirklichkeit heterosexuell sind. Schultheiss et al. (1998, p. 1996) erklärten, "Heutzutage, nimmt das Verständnis über die psychologischen Motive für die Unzirkumzision zu. Und das Problem wird mit größerer Ernsthaftigkeit behandelt,… Die Mehrheit der Männer die diese Hautdehnung durchführen sind heterosexuell." Postulierte psychosexuelle Vorteile, die aus der Vorhautwiederherstellung resultieren, wurden von Bigelow (1995) beschrieben.

Beschneidungsbefürwortung

Obwohl die Forschung die negative Effekte der Beschneidung aufzeigt, (z. B., Denniston & Milos, 1997Denniston, Hodges, & Milos, 1999Cold & Taylor, 1999Hammond, 1999Van Howe et al., 1999), können psychologische Faktoren es Beschneidungsbefürwortern schwer machen damit aufzuhören die Praktik zu bewerben (Goldman, 1997, 1998, 1999). Vermutlich ist die Trauer um das verlorenen sexuelle Körperteil und seine Funktionen, sowie die resultierende Verleugnung des Verlustes von Bedeutung, denn sie liefert eine mögliche Erklärung für das Syndrom des „Unnachgiebigen Vaters (ein Vater der irrational auf die Beschneidung eines Sohnes besteht, obwohl er mit Belegen für die Schädlichkeit dieses Eingriffs konfrontiert wurde) wie auch für andere Verhaltensweisen von beschnittenen Männer wie etwa das „Ich bin beschnitten und mir geht's gut-Syndrom (Bigelow, 1995Ritter & Denniston, 1996). Trauer und Ableugnung in Bezug auf die unfreiwillige Beschneidung wird mit großer Wahrscheinlichkeit einen Einfluss auf die Psychologie des beschnittenen Mannes haben (Parkes, 1998). Solche Faktoren sind womöglich von noch größerer Bedeutung bei Ärzten, die ihre gesamte medizinische Praxis oder einen beträchtlichen Anteil davon, der Beschneidung normaler gesunder Jungen widmen, obwohl es keinen medizinische Begründung dafür gibt (cf. Bigelow, pp. 94-99). Einige Traumaopfer stehen unter einem Zwang ihr Trauma für sich oder andere zu wiederholen (van der Kolk, 1989). Die Beschneidung von Kindern kann zu einem gewissen Grade die Wiederholung des Traumas der eigenen Beschneidung bedeuten. Einige Studien an zufällig ausgewählten Ärzten zeigt, dass die Beschneidung häufiger von Ärzten befürwortet wurde die zufälligerweise selbst beschnitten waren (Stein, Marx, Taggert, & Bass, 1982).

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Schlussfolgerung

Die Masse der hier untersuchten empirischen Beweise belegen, dass nichtbetäubte Jungen während der Beschneidung sowie kurze Zeit danach unter schweren Schmerzen leiden, sowie dass sie eine beträchtliche Zeit nach dem Eingriff eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit haben. Auch mehren sich die Belege dafür, dass die Beschneidung zu lebenslangen, körperlichen, sexuellen und manchmal psychologischen Schäden führen kann. Eine Reihe unterschiedlicher Kräfte aus so unterschiedlichen Feldern wie die Psychologie, Medizin, Jura, Medizinethik und Menschrechtsgesetzgebung laufen zusammen, und alle stellen die Zweckmäßigkeit der Beschneidung Frage, ein Eingriff der vor einem Jahrtausend entstand und in der Viktorianischen Ära propagiert wurde. Wie Chamberlain (1998) erklärte, werden „Eltern nicht gewarnt, dass ihre Säuglinge extremen Schmerz erleiden müssen und lebenslang eines funktionalen Teils ihre sexuellen Anatomie beraubt werden“. Die Nichttherapeutische Beschneidung minderjähriger Jungen wird heutzutage von juristischen und ethischen Gelehrten hinterfragt, wie noch nie zuvor. Psychologen und Psychiater können in der wachsenden Debatte über die Beschneidung eine bedeutende Rolle spielen. Wir ermutigen daher zu einer näheren Betrachtung dieses Themas und noch mehr Forschungsarbeiten über die mit der Beschneidung vergesellschafteten psychosexuellen Auswirkungen. 

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Zitierweise des englischen Originalartikels (Bildmaterial im Originalartikel nicht enthalten): 

  • Boyle GJ, Goldman R, Svoboda JS, Fernandez E. Male circumcision: pain, trauma and psychosexual sequelae. J Health Psychology 2002;7(3):329-43.