Finnischer Ärztebund: "Medizinethik" 6. Auflage. Kapitel: "Beschneidung"


Beschneidung

  • Die Beschneidung von Mädchen ist eine Straftat. Jugendbehörden müssen über durchgeführte oder geplante Beschneidungen von Mädchen in Finnland informiert werden.
  • Mit Eltern, die einen Arzt nach einer rituellen Beschneidung ihres Sohnes fragen, sollte der Arzt über die Möglichkeit diskutieren, auf den Eingriff zu verzichten oder bis zu einem Zeitpunkt zu verschieben, in dem der Junge selbst über den Eingriff entscheiden kann.
  • Selbst wenn rituelle Beschneidungen im öffentlichen Gesundheitswesen anerkannt werde sollten, muss ein Arzt immer in der Lage sein, ihre Durchführung zu verweigern

Beschneidung von Mädchen

In Finnland kann es zu Fällen kommen, in denen ein ausländischer Patient einen Arzt darum bittet, Dienstleistungen zu erbringen, die in der finnischen Kultur und im Gesundheitswesen fremd oder fraglich erscheinen. Z. Bsp. ist die Beschneidung von Mädchen ein uralter Ritus, dessen Zweck es ist, die weibliche Sexualität zu kontrollieren. Der Eingriff wurde damit verteidigt, dass eine unbeschnittene Frau Gefahr läuft, unter Ihresgleichen diskriminiert zu werden, was für einen Flüchtling in einer schwierigen Lebenssituation eine erhöhte Angst bedeutet.

Ein Arzt kann sich nicht an Handlungen beteiligen, die direkte und chronische Schmerzen und auch dauerhafte Schäden verursachen und eine Bedrohung für die Gesundheit darstellen. Es gibt keine medizinischen Gründe zur Durchführung der Beschneidung von Mädchen. Nach dem finnischen Gesetz ist die weibliche Beschneidung eine Verstümmelung und eine strafbare Handlung. Traditionen können nur mittels Bildung und Aufklärung geändert werden. Wenn ein Arzt sich verpflichtet, diese Tradition fortzusetzen, ist dies auch der sicherste Weg, diese fortbestehen zu lassen. Die WHO und viele andere Organisationen im Bereich Medizin und Gesundheit kämpfen gegen die weibliche Beschneidung. Es ist eine Herausforderung für Fachkräfte im Gesundheitswesen der Beschneidung vorzubeugen. 

Diese Frage wird aufgegriffen bis hin zur Diskussion mit Familien aus Kulturen, in denen die weibliche Beschneidung praktiziert wird. In der Arbeit der Beratungsstellen, ist es besonders wichtig, dass Eltern Informationen über das Thema und die finnische Gesetzeslage erhalten können. 

Sowohl in dieser als auch in anderen Situationen, in denen der Arzt auf beschnittene Frauen trifft, ist es notwendig, den Befund und die  Gespräche über eventuell geplante Eingriffen zu vermerken. Und wenn sich herausstellt, dass ein Mädchen in Finnland beschnitten worden ist oder dass eine Beschneidung entweder in Finnland oder im Ausland geplant ist, muss dies den Jugendbehörden gemeldet werden.

Die Beschneidung von Jungen

Die Beschneidung von Jungen hat im Judentum und im Islam eine lange Tradition. Bei den Juden ist die Beschneidung ein Initiationsritus. Im Islam kann ein Mann nicht als mündig angesehen werden, wenn er nicht beschnitten ist. Selbst in den angelsächsischen Ländern wurde die Beschneidung aus kulturellen Gründen zu einer weit verbreiteten Praxis, da angenommen wurde, dass sie für Gesundheit und Moral vorteilhaft sei. 

Heute hat sich gezeigt, dass die Beschneidung von Jungen aus nicht medizinischen Gründen mit Komplikationsrisiken behaftet ist und keinerlei gesundheitlichen Nutzen bietet. Da ein kleiner Junge  nicht in die Operation einwilligen kann, verletzt die Beschneidung ethisch und juristisch die Selbstbestimmung des Einzelnen und die persönliche Unversehrtheit. Der Eingriff ist in dieser Form mit medizinethischen Grundsätzen unvereinbar. 

Juristisch kann die Angelegenheit hinsichtlich des Rechts auf Schutz der persönlichen Unversehrtheit durch die Verfassung (731/1999) und hinsichtlich der in der Verfassung und den Religionsfreiheitsgesetzen (453/2003) festgeschriebenen Rechte untersucht werden. Da es um kleine Jungen geht, sollte natürlich berücksichtigt werden, dass es sich hier nicht um eine Frage der Religionsfreiheit auf Grundlage des eigenen Willens handelt, sondern um die Rechte der Eltern, ihre Religion auszuüben. Hinsichtlich der männlichen Beschneidung muss also eine Wahl vorgenommen werden zwischen verschiedenen Werten: entweder man respektiert die Praktiken der religiösen Tradition oder man respektiert das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit, welches von der medizinischen Ethik, den Menschenrechten und der Verfassung gestützt wird. 

Gleichzeitig wirft das  die Frage auf, ob männliche Kinder eine gleichberechtigte Stellung in Bezug auf körperliche Unversehrtheit einerseits und Religionsfreiheit andererseits haben. Gemäß der Verfassung darf die körperliche Unversehrtheit einer Person nicht aus religiösen Gründen verletzt werden. Die rituelle Beschneidung ist eine Praxis, die im Gegensatz zu diesem Grundsatz steht. 

Dieses Prinzip wurde in einem Rechtsfall nieder gelegt, in dem eine von einem Arzt durchgeführte Beschneidung als eine Misshandlung im Sinne des Strafgesetzbuchs (578/1995) (Staatsanwalt Päivi Hirvelä Beschluss vom 29.6.2004, Dnro R 02/15) angesehen wurde. In diesem staatsanwaltschaftlichen Beschluss wurde die männliche und weibliche Beschneidung mit der Verletzung der körperlichen Unversehrtheit aus rechtlicher Sicht gleichgestellt und als eine solche Verstümmelung gemäß der Formulierung der Verfassung (HE 309/1993) angesehen. In der Beschlussbegründung wurde angeführt, dass das Recht auf  körperliche Unversehrtheit von Jungen dem Gleichheitsgrundsatz entsprechend nicht schwächer sein kann, als das von Mädchen. Auch die internationalen Menschenrechtskonventionen, denen Finnland beigetreten ist, verbieten religiöse Handlungen, die ein gesundheitliches Risiko darstellen. In der besagten Gerichtsverhandlung wurde die Anklage jedoch für unangemessen befunden und nicht zugelassen.

Religiöse Rituale sind keine ärztlichen Dienstpflichten

Vor besagtem Beschluss der Staatsanwalt war in Finnland versucht worden, durch Empfehlungen von Behörden zu erreichen, dass rituelle Beschneidungen vom öffentlichen Gesundheitswesen angeboten werden. Es wurde argumentiert, dass Beschneidungen sonst unter ungeeigneten Bedingungen mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen durchgeführt werden. Mit der zunehmenden Zahl muslimischer Einwanderer ist das Problem entstanden, dass Beschneidungen unter anderem in der häuslichen Umgebung durchgeführt werden. Auf der anderen Seite äußerte sich die parlamentarische Bürgerbeauftragte in ihrer Stellungnahme von 30/11/1999 (Dnro 462/4/99) mit großer Skepsis gegenüber der rituellen Beschneidung von Jungen aus juristischer Sicht und stellte die Berechtigung dieses Eingriffs im öffentlichen Gesundheitswesens infrage. Es wurde auch mit Hinsicht auf die Priorisierung in der Gesundheitsversorgung für selbstverständlich angesehen, dass rituelle Beschneidungen nicht vom öffentlichen Gesundheitssystem bezahlt werden.

Nach einer Arbeitsgruppe (2004) des Sozial- und Gesundheitsministeriums, die die Notwendigkeit für die Rechtsvorschriften über die Beschneidung von Männern überprüft hat, sollte das Ziel sein, die Gespräche mit religiösen Gemeinschaften fortzusetzen, um sie dazu zu bringen auf die Beschneidung zu verzichten, sowie ein Gesetz über die übliche Praxis der männlichen Beschneidung zu erstellen. Der Ärztebund hat festgestellt, dass die Richtlinie zu diesem Thema im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften erlassen werden kann.

Aus ethischer Sicht sollte es nicht zu einer ärztlichen Pflicht gehören, religiöse Rituale auszuführen. Ein Arzt muss immer und ausdrücklich das Recht haben sich zu weigern, diesen Eingriff vorzunehmen. Der Ärztebund hat in seiner Stellungnahme empfohlen, dass ein Arzt im Falle er um eine rituelle Beschneidung gebeten wird, die Angelegenheit mit den Eltern besprechen sollte, um sie zu veranlassen, die Operation zu unterlassen oder aufzuschieben bis zu einem Zeitpunkt, in dem der Junge selbst über den Eingriff entscheiden kann.

Weitere Informationen:

Circumcision Information and Resource Pages.
www.cirp.org

Poikien ympärileikkauksia koskevaa lainsäädäntötarvetta selvittäneen työryhmän muistio. Social- och hälsovårdsministeriet,rapport från en arbetsgrupp 2003:39.

STENMAN K. Poikien ympärileikkaus. Selvitys kansainvälisistä ja kotimaisista käytännöistä Social- och hälsovårdsministeriet, duplicerad rapport 2004:3.

TIILIKAINEN M, red. Tyttöjen ja naisten ympärileikkaus Suomessa. Asiantuntijaryhmän suositukset sosiaali- ja terveydenhuolllolle Förbundet för mänskliga rättigheter 2004.
www.ihmisoikeusliitto.fi