Kapitel 3: Angebliche Gesundheitliche Vorteile der Beschneidung

Neugeborene Jungen kommen mit einer gesunden Vorhaut zur Welt. Folglich bestehen keine medizinischen Indikationen zur Beschneidung in der Neugeborenenphase.(12)

Die Beschneidung von Kindern ist ein schmerzhafter, stressvoller und traumatischer Eingriff, der den Säugling erschöpft und schwächt – so sehr, dass einige Säuglinge unfähig sind an der Brust zu saugen.(3) Medizinische Behörden [in den USA] empfehlen deshalb Beschneidungen nur an gesunden und stabilen Säuglingen durchzuführen. Mangels medizinischer Indikation, und da der chirurgische Eingriff nur an gesunden und stabilen Säuglingen durchgeführt wird, beschreibt der Rat für wissenschaftliche Angelegenheiten der AMERICAN MEDICAL ASSOCIATION (AMA) [dt. etwa Amerikanischer Ärzteverband] die elektive Säuglingsbeschneidung treffend als einen "nicht-therapeutischen Eingriff".(4) (1997 wurde Säuglingsbeschneidung in einer gemeinsamen Erklärung der American Academy of Pediatrics und dem American College of Obstetricians and Gynecologists von "Routine-" auf "elektiv" herabgestuft.(5

Die Behauptungen über sämtliche gesundheitliche oder medizinischen Vorteile der Beschneidung beschränken sich auf einen möglichen prophylaktischen Vorteil im späteren Leben. Die Beschneidung des Neugeboren, so meinen einige wenige, könne der Phimose, Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten, Harntraktinfektionen im ersten Lebensjahr, Peniskrebs, und dem Gebärmutterhalskrebs der Partnerin vorbeugen. Diese Behauptungen stammen aus der Ära der Meinungs-basierten Medizin, als Ärzte – ohne jedwede wissenschaftlichen Belege – sich auf die Meinung anderer Ärzte verließen und nicht auf medizinwissenschaftliche Beweise (z.B.6) Wir werden nun jede dieser Behauptungen untersuchen.

Phimose

Phimose ist ein Begriff, der gebraucht wird, um einen Zustand zu beschreiben, bei dem das Präputium (Vorhaut) nicht zurückgezogen werden kann.

Beinahe jeder neugeborene Junge hat eine nicht-zurückschiebbare Vorhaut. Eine nicht zurückschiebbare kann Vorhaut hat 3 Ursachen haben:

  1. die Vorhaut ist mit der Eichel verklebt
  2. die Vorhaut ist zu eng, um über die Eichel zurückgeschoben zu werden oder
  3. Frenulum breve.

Eine nicht zurückschiebbare Vorhaut ist keine Krankheit sondern eine normale, entwicklungsphysiologische Phase bei Jungen. Die Vorhaut wird allmählich zwischen dem Kleinkindalter und dem 18. Lebensjahr zurückziehbar.(7) Ungefähr 1 Prozent der Männer über 18 Jahre, haben immer noch eine nicht-zurückziehbare Vorhaut. Die Verklebung der Vorhaut mit der Eichel löst sich von selbst und muss nicht behandelt werden. Frenulum breve, ein seltenes Leiden, kann durch einem kleinen Einschnitt in das Frenulum (Frenuloplastik) behandelt werden.

Phimose ist keine lebensbedrohliche Krankheit und bedarf gewöhnlich keiner Behandlung. Wenn eine Behandlung für notwendig erachtet wird, kann Phimose mittels Steroidsalben ["Kortison-haltige Salben"] ohne Operationsrisiko behandelt werden.(89) Ältere Jungen und Männer können eine nicht zurückziehbare Vorhaut durch manuelle Dehnung behandeln um eine permanentes Gewebswachstum zu bewirken.(1011) (Siehe Kapitel Sieben

Neugeborenbeschneidung führt häufig zu einer phimotische Erkrankung, da die Beschneidungsnarbe sich vor der Eichel zusammenziehen kann, sodass die Eichel hinter dem phimotischen Ring eingeklemmt wird. BLALOCK et al. (2003) zeigen, dass Phimose in 2.9 Prozent der Beschneidungspatienten auftritt.(12) Das übersteigt -um das Dreifache- die von ØSTER (1968) angegebene Häufigkeit einer nicht-zurückschiebbaren Vorhaut  am Ende der Pubertät. Es ist folglich klar, dass Beschneidung nicht zur Prävention von Phimose empfohlen werden kann. Die AAP Erklärung von 1975 merkte richtig korrekterweise an, dass eine unvollständige Entfernung der Vorhaut zu einer Post-Zirkumzision Phimose führen kann.(13) Die AAP Erklärung von 1989 gab fälschlicherweise an, dass eine "ordentlich ausgeführte" Beschneidung der Phimose vorbeuge.(14) Mit ordentlich ausgeführt meinte die Projektgruppe, dass genügend Haut entfernt werden müsse um zu verhindern, dass sich die kreisrunde Beschneidungsnarbe vor der Eichel bildet. Leider wird, wenn so viel Gewebe entfernt wird, der Patient mit größere Wahrscheinlichkeit an schmerzhaften Erektionen leiden, weil nicht mehr genug Haut übrig ist, um der Ausdehnung des Penis bei der Erektion den nötigen Platz zu bieten. Beschneidungen werden häufig unsachgemäß ausgeführt, da sie den unerfahrensten Ärzten überlassen anvertraut werden. (15) Auch wissen sachkundige Ärzte, dass Hautgewebe zurückgelassen werden muss, um Erektionen Platz zu bieten, folglich ist Postzirkumzisionsphimose keine seltene Komplikation. Der Einsatz Beschneidung zur Prävention/ Behandlung von Phimose ist veraltet.

Sexuell Übertragene Krankheiten

Abraham Leo Wolbarst, M.D., war ein glühender Verteidiger und Verfechter der Beschneidung. Nachdem Holt (1913) rituelle Beschneidungen kritisierte, aufgrund der großen Anzahl von tödlicher Fälle von Tuberkulose, die die Folge von Infektionen der offenen Wunde waren,(16) verteidigte Wolbarst (1914) die rituelle Beschneidung indem er ihre angeblichen hygienischen Vorteile der Beschneidung anpries.(6) Wolbarst tat das, indem er Meinungen anderer Ärzte sammelte, die er anschließend in einem Artikel im Journal of the American Medical Association veröffentliche. Er suchte gezielt nach Meinungen, denen zufolge die Beschneidung Geschlechtskrankheiten Syphilis und (weicher Schanker) vorbeuge. Er zitierte diese Meinungen als Beleg für den Wert der Beschneidung. Kontrollierte Studien waren in dieser weit zurückliegenden Zeit nicht verfügbar. Das US-Militär– auf der Grundlage einer solch fadenscheiniger Beweislage –  ließen eine große Anzahl Männer während den beiden Weltkriegen beschneiden, um sexuell übertragenen Krankheiten vorzubeugen.   

Moderne Evidenz-basierte Medizin aber kann Wolbarst aufgeblasene Behauptung nicht unterstützen. Cook et al. (1994) waren unfähig einen definitiven Vorteil der Beschneidung nachzuweise – ihren Befunden zufolge hätten nicht-beschnittene Männer eine leichte Tendenz, häufiger an Syphilis und Gonorrhöe zu leiden, aber eine geringere Tendenz an Genitalwarzen zu leiden. 17 Donovan et al. (1994) berichteten über keinen signifikanten Unterschied zwischen beschnittenen und nicht-beschnittenen Männern.(18) Van Howe (1999) stellte fest, dass beschnittene Männer ein leicht erhöhtes Risiko haben, an Urethritis erkranken und unbeschnittene Männer geringfügig anfälliger für Genitalulzera sind.(19) Dickson et al. (2008) wiesen mehr sexuell übertragbare Krankheiten bei beschnittenen Männern nach, aber der Unterschied war statistisch nicht signifikant.(20) Das Fetus and Newborn Committee der Canadian Paediatric Society stellte fest, dass die "Beschneidung keinen signifikanten Effekt auf die Inzidenz häufiger STD habe." (21) The AAP Task Force (1999) merkte an, dass "Verhaltensfaktoren bei weitem bedeutender sind als der Beschneidungsstatus."(22) Die medizinischen Beweise belegen nicht, dass die Praktik der Neugeborenbeschneidung sexuell übertragbare Krankheiten vorbeugen kann.

De Vincenzi & Mertens (1994) führten eine Metanalyse der damals verfügbaren Literatur bezüglich Beschneidung und HIV-Infektion durch. Diese kam zu dem Schluss, dass zu dieser Zeit es keine ausreichenden Beweise gäbe, um die männliche Beschneidung zur HIV-Prävention zu empfehlen.(23) The Council on Scientific Affairs of the AMA (1999) schlussfolgerte, dass “Verhaltensfaktoren weit bedeutendere Risikofaktoren für die Erkrankung mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten darstellen als der Beschneidungsstatus, und dass die Beschneidung nicht auf verantwortungsvolle Weise als "Schutz" gegen solche Infektionen angesehen werden kann.”(4) Die Cochrane Library Review (2003) kam zu dem Schluss, dass es nur unzureichende Beweise gibt um die Beschneidung zur Prävention von HIV Infektion zu empfehlen.(24) Thomas (2004) fand keine Beweis, dass Beschneidung in einer U.S. Navy Test Population gegen HIV schütze.(25) Talbott (2007) zeigt, dass es der Prozentanteil weiblicher Sexarbeiterinnen, und nicht die Häufigkeit männlicher Beschneidung ist, der das Ausmaß der HIV Infektion bestimmt.(26) Dowsett & Couch (2007) untersuchten die Ergebnisse der drei randomisierten Kontrollstudien (RTCs), kamen aber dennoch zu dem Schluss, dass keine ausreichenden Beweise vorliegen um Beschneidung zur Prävention von HIV-Infektionen zu empfehlen.(27) Green et al. (2008) untersuchten das Beweismaterial bezüglich der Beschneidung zur  HIV-Präventionen und stellten „unzureichende“ sowie„;sich widersprechende“ Daten fest. Sie kamen zu dem Schluss:

„Die Weltgemeinschaft muss die Langzeit-Konsequenzen von Kampagnen zur Massenbeschneidung behutsam untersuchen und sorgfältig überdenken, vom Risiko zunehmender Todesfälle und Infektionen bis hin zu Menschenrechtsverletzungen. Beschneidung ist nicht das Allheilmittel, auf das die Welt im Kampf gegen die HIV-Krise gewartet hat. In der Eile Menschenleben zu retten, können viele Menschenleben stattdessen verloren und Menschenrechte in der Massenpanik niedergetreten werden. Menschenleben. Die Beschneidung ist nicht das Allheilmittel, auf das die Welt im Kampf gegen die HIV-Krise gewartet hat.“(28);

The Lancet veröffentlichte zwei koordinierte Kontrollstudien (RCTs) am 24. Februar 2007.(2930) man sollte beachten, dass die Hauptautoren dieser RTCs gebürtige Australier, Kanadier oder US-Amerikaner sind, von denen alle, heute oder früher einmal, beschneidende Kulturen sind oder waren. Diese Männer wurden wahrscheinlich selbst als Neugeborene einer Beschneidung unterzogen. Siegfried et al. (2003) kommentierte, dass solche sehr häufig "feste Überzeugungen und Meinungen" zur Gunsten der Beschneidung haben.(24) Sie können sich deshalb gezwungen fühlen Literatur zu produzieren um ihre Herkunftskultur zu verteidigen. (Siehe Kapitel Sechs für eine Diskussion der Wirkung der Beschneidung auf die medizinische Literatur.) Diese Autoren schrieben Paper, indem sie die Beschneidung zur HIV-Prävention befürworteten, noch bevor sie diese RCTs ausführten. Die schwere Kritik, die diese Paper erhalten haben weist darauf hin, dass bei ihren Arbeiten etwas anderes als reine medizinische Wissenschaft zu Werke ist. Die Befangenheit der Forscher kann nicht ausgeschlossen werden. 

Die Epidemie von HIV-Infektionen in den USA konzentriert sich unter Männern die Sex mit Männern haben (MSM). Zwei Studien wiesen nach, dass männliche Beschneidung zur HIV-Prävention unter MSM ineffektiv ist. (3132

Darüber hinaus sind RCTs, die unter Erwachsenen in Afrika durchgeführt wurden, nicht relevant für Kinder in Nordamerika. Selbst wenn die Afrikanischen RCTS akkurat wären, die Häufigkeit der Infektion und das Risiko zur Infektion sind in Nordamerika um ein vielfaches geringer als in Afrika. Darüber hinaus, haben Kinder keinen Geschlechtsverkehr und haben sind auch nicht von einer HIV-Infektion durch sexuelle Übertragung gefährdet. Die Afrikanischen Kontrollstudien sind daher nicht auf Nordamerika [und Europa] anwendbar.

Kondome sind eine effektives Mittel zur Prävention sexuell übertragbaren Krankheiten, einschließlich HIV.(33)

Harntraktinfektionen (HTI)

Ginsburg & McCracken (1982), die Harntraktinfektionen bei männlichen Säuglingen am Parkland Hospital in Dallas untersuchten, merkten an dass 95% der männlichen HTI patienten  nicht beschnitten waren.(34) Sie mutmaßten, dass die fehlende Beschneidung, auf irgendeine Weise die Infektion begünstigt hatte. Das Parkland Hospital jedoch, ein öffentliches  Krankenhaus, führte keine Neugeborenbeschneidungen aus, selbst wenn die Eltern danach verlangten,(35) so dass der Großteil der Klientenpopulation am Parkland Hospital unbeschnitten gewesen sein muss – eine Tatsache, die von von Ginsburg & McCracken anscheinend übersehen wurde.

Diese Beobachtung veranlasste Wiswell et al. retrospektive Studien zu erstellen, in denen die Häufigkeit von Harntraktinfektionen bei beschnittenen neugeborenen Jungen und unbeschnittenen Jungen verglichen wurden. Diese Studien wiesen alle schwere methodologische Fehler auf, einschließlich der fehlenden Kontrolle von Störfaktoren, wie etwa Infektionen der Mütter, perinatale Anoxie, zu hohes oder zu niedriges Geburtsgewicht, Rooming in, die Methode zur Sammlung der Urinproben, die Art der hygienischen Pflege, und das Stillen. Das Fötus und Neugeborenen Komitee untersuchte die von Wiswell et al. vorgelegten Daten und berichtete, dass sie Wiswells Daten für "nicht hinreichend aussagekräftig" befand, „um eine Änderung ihrer bestehenden Standpunkts zu rechtfertigen", dass die Beschneidung unnötig ist und nicht ausgeführt werden soll. (36) Altshul (1990) verwies darauf, dass die Studien nur eine Korrelation aufzeigten und nicht Ursache und Wirkung.(37) Thompson (1990) stellte fest: "Eindeutige Beweise, dass fehlende Beschneidung ein Risikofaktor für häufigere Harntraktinfektionen sei, sind gegenwärtig keine verfügbar." (38) Chessare (1993) verglich die angeblichen Vorteile der Prävention von HTI durch die Beschneidung mit den Nachteilen und Komplikationen des Eingriffs und kam zu dem Ergebnis, dass selbst wenn Wiswells Behauptungen stimmten, „keine Beschneidung“ immer noch den größten medizinischen Nutzen hätte.(39)

Studien aus Israel zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen rituellen Beschneidungen am 8. Tag und sofortiger Harntraktinfektion nach der Beschneidung.(40-42)

Mueller et al. (1997) fanden keinen Unterschied bezüglich der Häufigkeit von HTI zwischen beschnitten und nicht-beschnittenen Jungen mit normaler Harntraktanatomie.(43)

Um die Angelegenheit nüchtern zu betrachten: Eine Studie von Mårild et al. (1998) aus Schweden, wo die Säuglingsbeschneidung nicht praktiziert wird, stellte fest, dass in den ersten sechs Lebensjahren die Häufigkeit von HTI bei Jungen 1.8 Prozent, bei Mädchen hingegen 6.6 beträgt.(44) Harntraktinfektion bei Jungen sind selten nach dem ersten Lebensjahr. Wenn eine HTI auftritt, kann diese einfach medikamentös behandelt werden. McCracken (1989) and Larcombe (1999) zeigten auf, dass Harntraktinfektionen schnell auf eine Behandlung mit Antibiotika ansprechen.(4546)

Die Projektgruppe zur Beschneidung der American Academy of Pediatrics, in ihrer „evidenzbasierten” Stellungnahme, merkten schwere methodologische Fehler in allen vorliegenden Studien an, und lehnten eine Empfehlung zur Beschneidung um Harntraktinfektionen zu reduzieren ab.(22) Das Royal Australasian College of Physicians (RACP) erklärt, dass die routinemäßige nicht-therapeutische Beschneidung "auf der Grundlage der Prävention einer HTI nicht gerechtfertigt werden kann." (47))

Der medizinische Konsens ist, dass Beschneidung geringen, oder gar keinen Nutzen zur Reduktion von Harntraktinfektion besitzt. Die Risiken, Komplikationen und Nachteile der Beschneidung überwiegen jeglicher Reduktion von Harntraktinfektionen. Die Vorstellung, dass die männliche Neugeborenbeschneidung HTIs vorbeugen kann, wird mehr und mehr als Mythos angesehen – ein Mythos der von Ginsburg & McCracken begründet wurde, die es versäumten zu erkennen, dass die Klientenpopulation am Parkland Hospital in Dallas mehrheitlich unbeschnitten war.

Medizinische Behörden empfehlen das natürlichen Stillen – nicht die Beschneidung – um Harntraktinfektionen der Kindheit zu reduzieren.(48,49) Darüber hinaus belegen Hansen (2004),(50) und Mårild & andere (2004) (51), dass das Stillen sogar noch nach dem Abstillen weiterhin einen Schutzeffekt erfüllt.

Kwak et al. (2004) belegen, dass die Beschneidung nach einer Anti-Reflux-Operation zur Prävention von Harntraktinfektionen unwirksam ist.(52)

Peniskrebs

Abraham L. Wolbarst, der berühmte Beschneidungsbefürworter aus dem frühen 20. Jahrhundert, begründete den Mythos, dass die Neugeborenenbeschneidung den Peniskrebs absolut verhindern könne zu einer Zeit (1932), als die Ätiologie des Krebs noch nicht ausreichend verstanden wurde.(53) Seine Behauptungen wurden als Fakten akzeptiert, und bedauerlicherweise findet man heute immer noch solche Aussagen in der medizinischen Literatur. Es dauerte aber nicht lange, bis Ärzte Fälle von Krebs bei beschnitten Männern beschrieben, die nicht zu Wolbarsts aufgeblasenen Behauptungen passten.(54) Wolbarsts Bericht war inkorrekt. Maden et al. (1993) beschrieben 41 Fälle von Peniskrebs bei beschnittenen Männern.(55) Sicherlich wurde deutlich, dass die Beschneidung Peniskrebserkrankungen nicht verhindert. 

Die wahren Risiko-Faktoren wurden erst in den 1980ern erkannt. Die DNA des humanen Papillovirus (HPV) wurde in Peniskrebszellen nachgewiesen.(56) Eine Infektion mit HPV (die durch sexuellen Verkehr erfolgt) ist ein bedeutender Risikofaktor. Tabakkonsum ist ein weiterer bedeutender Risikofaktor.(57

Maden et al. (1993) behauptete fälschlicherweise, dass fehlende Beschneidung ein Risikofaktor wäre,(55) aber Cold et al. (1997) stellten fest, dass Maden seine Daten nicht auf das Lebensalter angeglichen hatte.(58) Wenn Madens Daten sachgemäß auf das Alter angeglichen wurden, bestand kein Unterschied zwischen dem Risiko von beschnittenen und dem von nicht-beschnittenen Männer.(58

Beschneidung ist kein wirksames Mittel zur Prävention von Peniskrebs. Bissada et al. (1986) belegen, dass sich Peniskrebs an der Beschneidungsnarbe bildet.(58) Die American Academy of Family Physicians (AAFP) erklärte, dass 600 bis 900 Beschneidungen notwendig wären, um einen einzigen Fall von Peniskrebs vorzubeugen.(60) Die AAP erklärte, das Risiko für Peniskrebs beim nicht-beschnittenen Mann sei „etwas“ höher als beim beschnittenen Mann, bleibe aber dennoch gering.(22) Die AMA erklärt, da die Erkrankung selten und im späteren Leben eintrete, sei die Beschneidung als Präventivmaßnahme nicht gerechtfertigt.(4)

Cervixkrebs beim Partner

Die Risikofaktoren für die Erkrankung am Gebärmutterhalskrebs sind Infektionen mit dem humanen Papillomvirus (HPV)(61) und das Rauchen.(62) Das Risiko für HPV-Infektionen wird durch einen frühen Beginn sexuellen Verkehrs und häufig wechselnde Sexualpartner erhöht.(63) Es gibt keinen klaren Hinweis darauf, dass die männliche Beschneidung das Infektionsrisiko reduzieren würde.

Es konnte nicht belegt werden, dass die männliche Beschneidung Gebärmutterhalskrebs bei der Partnerin vorbeugt. Das Royal Australasian College of Physicians (RACP) verweist darauf, dass Impfstoffe zur Prävention von HPV-Infektionen entwickelt werden. Die RACP fand keinerlei Daten, die darauf hindeuten, dass die Beschneidung einen zusätzlichen Vorteil brächte.(47) Wenn die HPV-Schutzimpfung allgemeine Anwendung findet, sollte sie die Bedrohung durch den Gebärmutterhalskrebs ein Ende bereiten. 

Die Schutzimpfung gegen humane Papillomviren ist heute Realität und wird Mädchen im Kindesalter verabreicht.(64)

Fazit

Die Behauptungen über "potentielle Vorteile", die die medizinisch unnötige, nicht-therapeutische Beschneidung angeblich bringen soll, fehlt jedwede wirklicher Unterstützung durch die medizinische Wissenschaft. Die medizinische Literatur der USA, verglichen mit der medizinischen Literatur anderer Nationen, ist im hohem Maße zu Gunsten der Beschneidung befangen.(65) Das Wort "potentiell" bedeutet, dass etwas möglicherweise existiert aber nicht in Wirklichkeit. Die medizinische Literatur, die solche "potentiellen" Vorteile unterstützt, wurde hauptsächlich von Ärzten verfasst, die in beschneidenden Kulturen aufgewachsen sind.(6667)

 

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