Es gibt keinen gesundheitsbezogenen Grund kleine Jungen zu beschneiden, solange die Operation nicht medizinisch gerechtfertigt ist. Der Eingriff ist schmerzhaft, irreversibel und kann zu schweren Komplikationen führen. Ein Kind ohne medizinische Begründung und ohne Zustimmung des Kindes zu beschneiden verletzt, unserer Ansicht nach, die Menschenrechte des Kindes wie auch grundlegende Prinzipien der Medizinethik.
Nach dem Gesetz über die Beschneidung von Jungen aus dem Jahr 2001, soll die Haltung des Kindes, soweit dies möglich ist geklärt werden. Der Eingriff darf nicht gegen den Willen des Kindes erfolgen. In der Praxis jedoch, haben diese Formulierungen im Gesetz keine Bedeutung. Die Mehrheit der Kinder in Schweden, die beschnitten werden, wird im Kleinkindalter oder in so jungen Jahren beschnitten, dass das Kind die Entscheidung nicht beeinflussen kann.
Vor dem Hintergrund, dass der Eingriff irreversibel ist und zu schweren Komplikationen führen kann, halten wir es für grundlegend, dass Elternrechte nicht über das Recht des Kindes auf Mitbestimmung, körperliche Unversehrtheit und Schutz vor schädlichen Praktiken gestellt werden dürfen.
Das Internationale NGO Council (gegen die Gewalt gegen Kinder) - eine Beratungsgruppe bei den Vereinten Nationen - betont in ihrem Bericht vom Oktober letzten Jahres, dass die männliche Beschneidung aus nicht-medizinischen Gründen und ohne Einwilligung eine grobe Verletzung der Rechte des Kindes darstellt. Zu diesen gehören unter anderem das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Schutz vor körperlicher und psychischer Gewalt. Der UN-Menschenrechtsrat hat in diesem Jahr alle Länder dazu aufgefordert, schädliche Praktiken an Jungen und Mädchen, welche die Unversehrtheit und Würde der Kinder beeinträchtigen oder die Rechte des Kindes verletzen, abzuschaffen.
Dieses Thema ist auch in den nordischen Ländern aktuell. Am Montag, den 30. September kamen alle Kinderrechtsbeauftragte der nordischen Länder, sowie prominente Kinderärzte und Kinderchirurgen in Oslo zusammen, um über die Erfahrungen in den nordischen Ländern mit der medizinisch unbegründeten Beschneidung von Jungen zu diskutieren. Es ist das erste Mal, dass das Thema auf diese Weise in den Fokus gerät.
Es gibt wichtige medizinisch-ethischen Gründe, dieses Problem anzugehen. In Schweden sind mehrere Kreisverwaltungen dagegen, dass dieser Eingriff in ihrem Kreis durchgeführt wird. Die Medizinische Forschung widerlegt Mythen, denen zufolge Säuglinge keine Schmerzen fühlen könnten und ein chirurgischer Eingriff in Form der Beschneidung ohne Risiken wäre. Neugeborene Kinder empfinden Schmerz genau wie ältere Kinder und Erwachsene, Säuglinge können nicht verstehen, warum der Schmerz auftritt. Selbst wenn eine Nervenblockade erfolgt, treten nach der Operation Schmerzen auf. Trotz voller Schmerzbehandlung kann das Kind mehrere Tage lang danach den Wundschmerz fühlen. Säuglinge sollten den Risiken einer Narkose während der Operation nicht ausgesetzt werden, was es in der Praxis unmöglich macht, diese Operation bei Säuglingen völlig schmerzfrei durchzuführen.
Der zweite Aspekt ist, dass diese Operation keine gesundheitlichen Vorteile für das Kind hat. Im Gegenteil, kann der Eingriff zu Komplikationen wie Blutungen und Infektionen führen. Im schlimmsten Fall kann die Beschneidung schweren Schädigungen des Penis und im Extremfall zum Tod des Kindes führen.
Die medizinischen Risiken bei einer Beschneidung werden nicht dadurch eliminiert, dass das Kind von einem Arzt beschnitten wird. In Schweden sind, infolge Beschneidungen, schwere Komplikationen aufgetreten und Kinder gestorben, obwohl der Eingriff von Ärzten durchgeführt wurde. In Norwegen, starb erst ein Kind im vergangenen Jahr, nachdem es von einem Arzt beschnitten wurde. Im August diesen Jahres veröffentlichte das Danish Medical Journal eine Nachfolgeuntersuchung des Reichskrankenhaus in Kopenhagen über Jungen, die zwischen 1996 und 2003 am Krankenhaus durch Chirurgen (ohne medizinischen Grund) beschnitten worden waren. Die Nachfolgeuntersuchung ergab, dass zwanzig Jungen schwere Komplikationen erlitten.
Eine große Anzahl führender Kinderärzte und Kinderchirurgen haben in der Fachzeitschrift Pediatrics (April 2013) die Vorteile, die manchmal der Beschneidung unterstellt werden, zurückgewiesen und die potentiellen schädlichen Auswirkungen deutlich gemacht. Der Pediatrics-Artikel zeigt auch, dass Uneinigkeit darüber besteht, inwieweit die Beschneidung Erwachsene in Ländern mit schlechtem Zugang zu Verhütungsmitteln gegen sexuell übertragbare Krankheiten wie Herpes und HIV schützen kann. Es besteht in jedem Fall kein Zweifel daran, dass diese Krankheiten sind, die mit dem Erwachsenenleben verbunden sind. Das Argument hat für die Beschneidung von Säuglingen keine Bedeutung. Die Entscheidung, die Beschneidung durchzuführen kann deshalb warten, bis das Kind das Alter und die Reife erreicht, die erforderlich sind, um selbst Stellung zu beziehen.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Jungen weniger Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit genießen als Mädchen. Die mildeste Form der Genitalverstümmelung von Mädchen, bei der die Klitorisvorhaut mit einer Nadel durchstochen oder entfernt wird, ist anatomisch vergleichbar mit der Beschneidung der Vorhaut bei Jungen. Die Genitalverstümmelung von Mädchen (auch die am wenigsten umfassendste Form) ist in Schweden seit 1982 verboten. Heute wird die weibliche Genitalverstümmelung in all ihren Formen - selbst unter einigen ihrer ehemaligen Anhänger- als unnötiger, mit gesundheitlichen Risiken verbundener Eingriff angesehen.
Wir sind der Ansicht, dass die Beschneidung von Jungen ohne Zustimmung des Kindes eine Verletzung von Artikel 12 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) darstellt, die Kinder das Recht gibt, ihre Meinung zu Themen, die sie betreffen, zu äußern. Wir sind ferner der Ansicht, dass die Beschneidung den Artikel 24(3) verletzt, der besagt, dass Kinder vor traditionellen Praktiken, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, geschützt werden sollen. Beschneidung ohne Zustimmung bedeutet, unserer Ansicht nach, eine Verletzung des Rechts des Kindes auf Achtung seiner körperlichen Unversehrtheit.
Die Gesetze müssen geändert werden, um im Einklang mit den Menschenrechten des Kindes und der Medizinethik zu sein. Unserer Ansicht nach, kann die Beschneidung ohne medizinischen Grund nur dann erfolgen, wenn ein Junge das Alter und die Reife erreicht hat, die erforderlich sind, um die zur Zustimmung für die Operation erforderlichen Informationen zu verstehen.
Fredrik Malmberg, Kinder-Ombudsmann
Ingemar Engström, Vorsitzender der Schwedischen Gesellschaft für Medizin, Beirat für Medizinische Ethik
Sineva Ribeiro, Vorsitzende des Schwedischen Verbands der Gesundheitsfachkräfte
Olle Söder, Vorsitzender des Schwedischen Kinderärzteverbands
Johan Wallander, Vorsitzender des Schwedischen Kinderchirurgenverbands
Zitierweise des schwedischen Orginalerklärung: